Zadićs Familie floh wie hunderttausende andere vor dem Bosnienkrieg.

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"Die Bürger von Tuzla und ich sind stolz darauf, dass Sie eine Tuzlanka sind", schrieb der Bürgermeister der ostbosnischen Industriestadt, Jasmin Imamović, an Österreichs neue Justizministerin Alma Zadić. "Ich möchte, dass Sie wissen, dass Ihre Geburtsstadt Tuzla, als ein Symbol des Multikulturalismus und eine jahrhundertealte Hüterin der nationalen, religiösen und sonstigen Gleichheit der Menschen, Sie aufrichtig unterstützt", fügte er hinzu.

Über die neue Justizministerin wird seit Tagen ausgiebig und detailreich in bosnischen, aber auch in kroatischen Medien berichtet – meist mit dem Tenor "vom Flüchtlingskind zur Ministerin". Insbesondere in Tuzla ist man darauf stolz, dass es eine, die während des Bosnienkriegs (1992–1995) mit ihrer Familie fliehen musste, in der neuen Heimat ganz nach oben geschafft hat.

Erfolgreiche Diaspora

Obwohl Zadić, die schon seit ihrem zehnten Lebensjahr in Österreich lebt, gar keine Bosnierin mehr ist, brüstet man sich in dem kleinen Land nun gerne mit ihr. Sie wird oft mit Arminka Helić, mittlerweile Baroness Helić of Millbank, die im britischen Oberhaus sitzt, oder der schwedischen Ex-Bildungsministerin Aida Hadžialić verglichen – beide stammen ebenfalls aus Bosnien und haben Karriere gemacht.

Gerade für Bosnier ist es eine besondere Genugtuung, darauf hinzuweisen, dass ihr Land Potenzial hat, denn der Staat mit 3,5 Millionen Einwohnern wird auch 25 Jahre nach dem Ende des Bosnienkriegs von Nationalisten rhetorisch und politisch fast täglich angegriffen. Zadić ist deshalb auch ein Symbol der Hoffnung und Selbstachtung für viele Bosnier geworden.

Alma Zadić ist mit 35 Jahren die jüngste Justizministerin Österreichs.
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"Brillante Integration"

In der österreichischen Botschaft in Sarajevo meint man, dass sich die ohnehin ausgezeichneten Beziehungen zwischen den beiden Staaten nun noch verbessern könnten. Der Leiter der EU-Delegation in Sarajevo, der österreichische Diplomat Johann Sattler, gratulierte Zadić. Und auch der Vertreter der Internationalen Gemeinschaft im Land, der Österreicher Valentin Inzko, beglückwünschte die 35-Jährige, die "durch harte Arbeit und enorme Energie eine beeindruckende Karriere" gemacht habe.

"Alma Zadić ist das Musterbeispiel einer brillanten Integration, und Österreich wird mit solchen Bürgern nur reicher und attraktiver und kann stolz darauf sein", sagt Inzko zum STANDARD. Fraglich sei, ob Zadić in ihrem Herkunftsland eine Chance bekommen hätte, Justizministerin zu werden. Tatsächlich gibt es kaum reformorientierte Kräfte im Land. Die völkisch-nationalistischen Parteien dominieren den Diskurs.

"Es tut uns leid, dass einige Extremisten Sie Hassreden ausgesetzt haben", schrieb Bürgermeister Imamović an Zadić. "Im Sport werden auch immer nur die Besten behindert und auf hässliche Art gefoult", fügte er ermutigend hinzu: "Durch Ihre Haltung haben Sie gezeigt, dass Sie die Rolle einer der größten Beschützer der Erklärung der Uno-Menschenrechte verdienen."

Anfeindungen in Wien

In Wien steht Zadić nach den Anfeindungen von rechter Seite und handfesten Morddrohungen unter Polizeischutz. Beamte der Spezialeinheit Cobra begleiten die Ministerin. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verurteilt den Hass, der Zadić, seinem ehemaligen Gegenüber bei den Koalitionsverhandlungen, entgegenschlägt: "Es ist Aufgabe der Zivilgesellschaft, gegen solche Dinge aufzustehen. Ich halte das für untragbar." Das Internet könne kein Freibrief sein, strafrechtlich relevante Dinge unwidersprochen abzusondern.

Angefacht wurde die Hasswelle auch durch Postings von FPÖ-Politikern. Dahingehend, ob also auch FPÖ-Obmann Norbert Hofer in der Verantwortung stehe, sagte Sobotka: "Ich halte alle in der Verantwortung, gegen Hass im Netz aufzutreten. Ich halte es für unverantwortlich, mit Falschmeldungen, mit rassistischen Untertönen, mit religionsfeindlichen Untertönen Menschen zu diskreditieren." Es sei ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, daher müsse es auch dem Dritten Nationalratspräsidenten ein Anliegen sein, eine "ganz klare Stimme" dagegen zu erheben. (Adelheid Wölfl, 10.1.2020)