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Mit dem Tod von Qabus bin Said Al Said am Freitagabend verliert der Oman nicht nur seinen Sultan, sondern auch den Premierminister, Außenminister, Verteidigungsminister und Zentralbankchef. Das war eine (wenngleich theoretische) Postenakkumulation, wie sie auch die benachbarten arabischen Golfstaaten nicht kennen. Aber der Oman unter Sultan Qabus war eben ein Sonderfall: Nicht für seinen anachronistisch erscheinenden Absolutismus wird er in die Geschichte eingehen, sondern dafür, wie er ihn eingesetzt hat.

Qabus bin Said, der einem langen Darmkrebsleiden erlag, das ihn seit 2014 immer wieder lange Zeit in einem deutschen, zuletzt auch in einem belgischen Krankenhaus verbringen ließ, wurde im November 1940 in Salalah als – ungewöhnlich genug – einziger Sohn seines Vaters Said bin Tamur geboren. Sultan Said hatte das britische Protektorat, das damals noch "Maskat und Oman" hieß, 1932 übernommen. Sein Sohn, der junge Qabus, trat nach seiner Schulzeit im Oman, in Indien und ab dem 16. Lebensjahr in Großbritannien in die Militärakademie Sandhurst und danach in die britische Armee ein, mit der er unter anderem ein Jahr in Deutschland stationiert war. Der britische Einfluss im Oman, dessen Verwaltung jahrzehntelang fast ausschließlich auf britische Berater zurückgriff, ist auch heute noch zu spüren.

Nach seiner Heimkehr in den Oman war Qabus mit der immer erratischer werdenden Herrschaft seines Vaters konfrontiert, der auch seinen Sohn in hausarrestähnlichen Verhältnissen hielt. Sultan Said wurde gleich nach Erreichen der Unabhängigkeit von Großbritannien 1951 vom Aufstand des letzten ibaditischen – dazu später – Imams, Ghalib bin Ali, im inneren Oman herausgefordert und versuchte sein Reich völlig von der Welt abzuschotten.

Er entwickelte zunehmend paranoide Züge, zu denen 1965 der Ausbruch der Revolte in Dhofar im Süden und ein gescheitertes Attentat gegen ihn beitrugen. Zur Beschreibung des damaligen Oman gehört stets, dass die Stadttore von Maskat wie im europäischen Mittelalter beim Einbruch der Nacht geschlossen wurden oder dass es nur wenige Kilometer asphaltierter Straße im ganzen Land gab.

Vom prämodernen Staat...

1970 beförderte Qabus seinen Vater Said mit britischer Hilfe ins Exil. Er erbte einen prämodernen Staat mit einem blutigen kommunistisch inspirierten Aufstand im Süden, den er 1975 mit britischer, jordanischer und iranischer – damals noch unter dem Schah – Hilfe niederschlug. Aber schon damals zeigte Qabus seine Weitsicht als Staatsoberhaupt: In die aufständische Provinz Dhofar begannen Entwicklungsgelder zu fließen.

Ähnlich gemäßigt begegnete er später einem sunnitisch-islamistischen Umsturzversuch in den 1990ern und einem ibaditischen im Jahr 2005: Es gab harte Urteile gegen die Verschwörer – gefolgt von Begnadigungen durch den Sultan. Während radikal-islamistische Umtriebe zur Realität in der Region gehören, nahm man erstaunt die Existenz eines ibaditischen Revisionismus zur Kenntnis: Die Familie Bu Said, auch die Busaidis genannt, gehört zwar selbst, wie die Mehrheit der Omanis, dem ibaditischen Islam an, hatte sich jedoch selbst als weltliche Herrscher gegen das ibaditische Imamat durchgesetzt. Die Ibaditen sind die Nachfahren einer eigenen Gruppe des Islam neben Sunniten und Schiiten, den Kharijiten, die in frühislamischer Zeit radikal waren, sich jedoch später in eine völlig andere, moderate Richtung entwickelten.

... zum absolutistischen Dienstleistungsstaat

Mit Hilfe des – im Vergleich mit anderen Golfstaaten mäßigen – Ölreichtums entwickelte Sultan Qabus mit den Jahren den Oman zu einer Art Dienstleistungsstaat mit absolutistischer Führung und von oben verordneter politischer Partizipation. Es gibt per Dekret geschaffene Institutionen, wie ein Zwei-Kammern-Parlament, von denen eine Kammer, die Ratsversammlung, gewählt ist. 1996 gab der Sultan dem Oman ein Grundgesetz: Die Herrschaft blieb aber ungebrochen bei ihm.

Es ist bekannt, dass ihn seine engsten Berater in den letzten Jahren zu einer Entwicklung in Richtung konstitutionelle Monarchie drängten, diesen Schritt konnte oder wollte Qabus jedoch nicht mehr machen. Dabei war es 2011, im Rahmen des "Arabischen Frühlings", klar geworden, dass auch im Oman genügend Bodensatz für Unzufriedenheit und Revolte vorhanden ist: Demonstrationen und Proteste waren überraschend massiv, es gab sogar Tote.

Angeprangert wurden Korruption und Ungleichheit sowie der Mangel an politischer Freiheit. Die Ölrenten und andere Geschäfte haben auch im Oman reiche Eliten kreiert – auch der Sultan selbst hatte nie Probleme, seinen Reichtum zu zeigen, etwa mit seiner Superyacht. Auf die Proteste von 2011 reagierte er mit einer Mischung aus vorsichtigen Reformen – die Schura bekam etwas mehr Macht – und finanziellen Zuwendungen und sozialen Maßnahmen.

Ob der Oman, dem zurzeit der niedrige Ölpreis zu schaffen macht, jedoch stabil genug ist, um die Transition ohne Schwierigkeiten zu überstehen, bleibt zu sehen. Sultan Qabus war persönlich sehr beliebt und wurde als "Vater des modernen Oman" verehrt. Seine Lebensart – wie zum Beispiel seine große Liebe zur westlichen klassischen Musik – wurde respektvoll, wenngleich meist verständnislos hingenommen. Höchstens hinter vorgehaltener Hand wurde auch kommentiert, dass der Sultan nur kurz und kinderlos verheiratet war und sich weiter nicht für Frauen zu interessieren schien.

Keine Kinder, keine Brüder

Indem er sich jedoch weigerte, einen Thronfolger zu ernennen, nahm Qabus seinem Nachfolger die Chance, Legitimität aufzubauen. Im Grundgesetz ist festgelegt, dass der neue Sultan ein männlicher muslimischer Nachkomme von Sultan Turki bin Said (1871 – 1888) sein und omanische muslimische Eltern haben musste.

Vorgesehen war folgendes Procedere: Im Fall des Ablebens von Qabus, der ja auch keine Brüder hat, sollte sich der Familienrat auf einen neuen Sultan einigen. Würde das nicht gelingen, sollte der Verteidigungsrat, das Parlament und drei Höchstrichter zusammen getreten, um jene Person als Herrscher zu bestätigen, deren Name Qabus in einem Briefkuvert (beziehungsweise in zwei an unterschiedlichen Orten deponierten Kuverts) hinterlassen hatte.

Seit Wochen wusste man, dass das Ableben Qabus' bevorstand – und die Familie einigte sich in dieser Zeit wohl, Qabus' Kuvert nach dessen Ableben sofort zu öffnen und seinen Willen zu bestätigen. Samstag früh wurde auf diese Weise der Name von Haitham bin Tariq (geboren 1954) ermittelt und verkündet.

Haitham bin Tariq ist der neue Sultan des Oman.
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Als Kandidaten galten über Jahre Qabus’ drei Cousins, die Söhne seines Onkels Tariq bin Taimur, der nach dem Umsturz 1970 kurz Premierminister war: Asaad bin Tariq (geboren 1954), Stellvertreter des Sultans; dessen Halbbruder Haitham (geb. ebenfalls 1954), Minister für Kultur und nationales Erbe; und dessen Bruder Shihab (geb. 1955), in einer Beraterfunktion und bis 2004 Chef der Marine. Weiter wurde Vizepremier (und de facto Premier) Fahd bin Mahmud genannt, er ist jedoch schon älter, und seine Kinder wären nicht erbberechtigt gewesen, da die Mutter aus Frankreich stammt.

Die omanische Diplomatie

Eine der großen Leistungen Qabus‘ war die omanische Diplomatie. Das Land übernahm unter ihm traditionell wichtige Vermittlerrollen im Großen und im Kleinen: ob es nun darum ging, Entführte im Jemen oder Gefangene im Iran freizubekommen oder die geopolitisch wichtigen Atomverhandlungen zwischen den USA und dem Iran einzufädeln. Die omanische Diplomatie war nie laut und vordergründig, meist erfuhr die Öffentlichkeit nichts von der Rolle des Oman.

Das war nur möglich, weil sich der Oman nie völlig von seinen Partnern einvernehmen ließ: Obschon ein Gründungsmitglied des Golfkooperationsrats, scheute er vor einer völligen Integration der arabischen Golfländer zurück. Dazu mag auch der eigene Islam und die Angst vor der salafistisch-wahhabitischen Dominanz durch Saudi-Arabien beigetragen haben.

Aber es gibt etliche andere Beispiele: Der Oman öffnete zu Beginn der 1980er Jahre seine Militärstützpunkte für die Amerikaner – was ihn nie davon abhielt, eine gute, sogar strategische Zusammenarbeit mit dem Iran zu pflegen, die die USA auch anerkannten und nie kritisierten. Der Oman war stets ein klarer Partner des Westens – und unterhielt gute Beziehungen zur Sowjetunion. Der Oman weigerte sich auch, nach dem ägyptischen Friedensschluss mit Israel 1979 mit Kairo zu brechen. Als in den 1990er Jahren der Oslo-Prozess Hoffnung auf einen israelisch-palästinensischen Frieden brachte, zeigte der Oman sehr deutlich seine Bereitschaft zur völligen Normalisierung mit Israel. Im Herbst 2018 lud er Israels Premierminister Benjamin Netanjahu nach Maskat ein.

Sultan Qabus war ein Mann, der den Mut hatte, seine eigenen Wege zu gehen: Er wird in der Region fehlen, sein Land hat nun in einem sehr sensiblem Moment, mit Kriegsgefahr am Golf, die Transition zu bestehen. (Gudrun Harrer, 11.1.2020)