Nach wochenlangen Verhandlungen konnte sich der UN-Sicherheitsrat doch auf einen Kompromiss einigen.

Foto: APA/AFP/UNITED NATIONS/MARK GART

New York – Nach wochenlanger Blockadehaltung Russlands hat sich der UN-Sicherheitsrat kurz vor Ablauf einer Frist auf die Offenhaltung humanitärer Hilfswege nach Syrien geeinigt – der Kompromiss könnte aber mehr als eine Million Notleidende im Nordosten des Landes von Lieferungen abschneiden.

Das mächtigste UN-Gremium stimmte am Freitag (Ortszeit) für eine Resolution zum grenzübergreifenden Zugang für die Vereinten Nationen in das Bürgerkriegsland. Der verabschiedete Text fällt jedoch deutlich hinter die bisherige Regelung zurück und liegt näher an der Position Moskaus, das mit Syriens Machthaber Bashar al-Assad verbündet ist.

Hilfsorganisationen haben den UN-Kompromiss kritisiert und vor den Folgen gewarnt. Die Entscheidung des Sicherheitsrates sei ein weiteres inakzeptables Beispiel dafür, dass Länder Politik über die Menschen stellten, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung mehrerer Organisationen. Die Folge sei weiteres unnötiges Leiden.

Nur noch zwei statt vier Grenzübergänge

Hintergrund ist eine seit 2014 bestehende Resolution, die es den UN erlaubt, wichtige Hilfsgüter über bisher vier Grenzübergänge in Teile des Landes zu bringen, die nicht von Assad kontrolliert werden. Von den Gütern, die diese Punkte passieren, sind mehr als drei Millionen Menschen abhängig. Russland hatte zusammen mit China eine erneute jährliche Verlängerung blockiert und wollte statt vier Übergängen nur noch zwei an der türkisch-syrischen Grenze und eine Laufzeit des Mandat von nur sechs statt zwölf Monaten.

Der bei elf Zustimmungen und vier Enthaltungen beschlossene Kompromiss – der von Deutschland und Belgien vorgelegt wurde – enthält ebenfalls nur die zwei Grenzübergänge an der türkisch-syrischen Grenze. Das Mandat läuft nach einem halben Jahr ab. Der vor allem für medizinische Güter wichtige Übergang Al-Yarubiyah im Osten an der Grenze zum Irak sowie ein weiterer an der Grenze zu Jordanien im Süden Syriens sind für den UN-Mechanismus künftig geschlossen. Generalsekretär António Guterres wird in dem Text darum gebeten, bis Ende Februar Vorschläge für neue Korridore zu machen, um die Notleidenden und nun möglicherweise Abgeschnittenen im Nordosten des Landes besser erreichen zu können.

"Sehr hoher Preis"

Deutschlands UN-Botschafter Christoph Heusgen räumte ein, dass der erreichte Kompromiss angesichts eines russischen Vetos zu einem "sehr hohen Preis" erreicht wurde. "Morgen werden 1,4 Millionen Menschen im Nordosten Syriens aufwachen und nicht wissen, ob sie weiterhin medizinische Hilfe erhalten werden, die sie dringend brauchen", sagte Heusgen. Anders als von den Russen behauptet gebe es keine Möglichkeit, diese Hilfe auf anderen Wegen ins Land zu bringen.

"Das ist eine Katastrophe, ein Minimalkompromiss, den man nicht als Erfolg bezeichnen kann", sagte der Nahost-Koordinator der in Frankfurt ansässigen Hilfsorganisation Medico International, Till Küster, am Samstag. Für rund 1,4 Millionen Notleidende im Nordosten Syriens gebe es den UN zufolge derzeit keinen Plan B. Der gemeinsamen Erklärung schlossen sich u.a. auch Save the Children und der Norwegian Refugee Council (NRC) an.

Die US-Botschafterin Kelly Craft äußerte sich drastisch: "Syrer werden sterben als Folge dieser Resolution", sagte sie. Was Russland mit seiner Blockade angerichtet habe, sei "schockierend". Die Resolution sei "völlig unzulänglich für die Bedürfnisse des syrischen Volkes". Auch die britische UN-Botschafterin Karen Pierce sprach von einer "unpassenden Antwort auf die Situation am Boden".

Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja hielt dagegen: "Ihnen wurde gesagt, dass das böse Russland humanitäre Hilfe nach Syrien blockiert. Das ist nicht wahr." Tatsächlich sei die Region um Idlib im Nordwesten des Landes die einzige Gegend, die auf diese Art von Hilfe angewiesen sei – und sie werde durch die zwei Grenzübergänge weiter versorgt. Für den Nordosten des Landes komme die benötigte Versorgung schon lange aus Syrien selbst, nicht aus dem Irak. (APA/dpa, 11.1.2020)