"Gemeinsam in die Zukunft" war das Motto des Neujahrsauftakts. Fahnenschwingen gehört dabei längst zum Standardrepertoire.

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Oberwart – Wie schnell sich doch die blaue Welt gedreht hat: Noch vor einem Jahr feierte ein von seinen Anhängern umjubelter Vizekanzler Heinz-Christian Strache mit Klubchef Johann Gudenus den Jahreswechsel in der Messe Wien. Diesen Samstag, ein Jahr später, versuchen die von Norbert Hofer angeführten Nachlassverwalter der FPÖ die Partei beim "Neujahrstreffen" im burgenländischen Oberwart nach der Ibiza-Katastrophe wieder einigermaßen aufzurichten.

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Auf der Bühne in der unterkühlten, stählernen Messehalle prangt die beschwörende Formel "2020 – Gemeinsam in die Zukunft".

Der burgenländische Landeshauptmann-Stellvertreter Johann Tschürtz und die Dritte Landtagspräsidentin Ilse Benkö luden die Partei nach Oberwart.
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Ibizagate, Chaostage an der Parteispitze, Spesenskandal, der Rausschmiss des alten Chefs, dem dieser Tage die beiden Generalsekretäre folgten, haben die blaue Welt wieder einmal existenziell ins Wanken gebracht. Die FPÖ-Kompassnadel rotiert, die Orientierung ist verloren gegangen. Wohin sollen sich jetzt die freiheitlichen Parteigänger wenden? Nach rechts? Da steht mittlerweile die ÖVP felsenfest mit einem entschlossenen Grenzsicherer und Innenminister Karl Nehammer. Noch weiter rechts hat Parteichef Hofer – zumindest offiziell – verboten. Und links? Ausgeschlossen.

Jetzt droht der Hammer

Und jetzt droht auch noch der Hammer: Der alte Stimmenbringer Strache wendet sich nach seinem folgenreichen Absacker in Ibiza einer neuen Partei, der Allianz für Österreich (DAÖ), zu.

Wenn schon vieles den Bach hinuntergeht – zumindest einen Halt gibt es noch, auf einen ist Verlass: John Otti mit seiner Band. Er hält eisern zur FPÖ und gibt den Delegierten beim Neujahrstreffen an diesem Samstagvormittag im burgenländischen Oberwart zumindest ein paar Stunden das Gefühl: Alles ist gut.

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Hulapalu

Der Bass wummert, und Otti stimmt das fähnchenschwingende Auditorium mit rauer Stimme und Andreas Gabalier geistreich ein: "Hodi odi ohh di ho di eh – Hulapalu". Und alle müssen wenig später autohypnotisch mitsingen: "Wir sind eine Familie – wir gehören zusammen."

Die Regie des Neujahrsaufmarschs im Burgenland bemüht sich wirklich redlich, den Eindruck einer Normalität zu bestärken, und Otti versucht, alles rauszuhauen, um die Leute aufzuwecken: "Zicke-zacke-zicke-zacke".

Vilimsky schwört Treue

Dann endlich – die Einzugschoreografie der Parteiführung funktioniert noch – schreiten Hofer, Herbert Kickl und der wahlkämpfende burgenländische Parteichef Johann Tschürtz mit erhobenen Häuptern Richtung Bühne. Sie nehmen Platz in der Runde der Landesobleute, die ins Burgenland zur Familientherapiesitzung geeilt sind.

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Auch die abgetretenen Generalsekretäre Harald Vilimsky und Christian Hafenecker werden freundlich begrüßt. Vilimsky darf sogar noch ein paar Worte ins Mikro sagen. Er schwört Treue und versichert, seiner Partei weiter "mit Rat und Tat" zur Seite zu stehen. Auch auf den Wien-Wahlkampf, den er für die FPÖ leiten wird, gab der frühere Generalsekretär einen Ausblick: "Ich kämpfe dafür, dass in Wien nicht Mohamed an die erste Stelle kommt, sondern die Seppis, die Peppis, die Walters, die Geralds. Damit der echte Wiener eine gute Zukunft hat."

Bemerkenswerter Gast: Der im Burgenland bekannte SPÖ-Politiker und ehemalige Landesrat Josef Tauber gab den Blauen die Ehre.

Erstredner Tschürtz beschwört die Notwendigkeit des Weiterregierens der Blauen mit den Roten nach der Landtagswahl am 26. Jänner. Hier im Bundesland beweise die FPÖ ihre Regierungsfähigkeit. Dass man nicht mehr im Bund mitregiere, sei ausschließlich Sebastian Kurz anzulasten, der ein Versprechen gebrochen habe.

Attacken auf Van Der Bellen

Dann bekommt Einpeitscher Kickl das Mikro: Der Klubchef reitet abermals Attacken gegen Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Dieser habe der ÖVP eine "noch nie da gewesene Machtfülle" ermöglicht. "Ist es Blindheit oder doch was anderes?", ätzt Kickl und beschuldigt Van der Bellen, dieser revanchiere sich nun dafür, dass ihn Teile der ÖVP im Präsidentschaftswahlkampf unterstützt hätten.

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Bevor Kickl und jetzt Parteichef Hofer die Bühne erklimmen, lässt es die John Otti Band noch einmal aufmunternd dröhnen: "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht. Alles, alles geht vorbei, doch wir sind uns treu."

Hofer will Funktionäre erziehen

Hofer muss jetzt ja die Kurve kratzen. Er will aus der alten FPÖ eine "moderne rechtskonservative Partei" machen. Also – zumindest offiziell – weg mit den rechtsradikalen Schmuddelkindern, dafür wird es sogar "Compliance-Regeln" geben. Im Zuge des "Roll-out" soll es, wie er auch hier in Oberwart ankündigt, sogar diesbezügliche Trainings und Schulungen für die Funktionäre geben. Es ist noch nicht lange her, da sprachen führende Parteikader noch von einer FPÖ-"Heimseite", um nicht das verhasste englische "Homepage" zu verwenden.

Modell gegen ORF-Gebühren

Bevor Hofer Nabelschau hält, richtet er die Pfeile auf die Regierung. Türkis-Grün bringe "Zwang und Unfreiheit". Die FPÖ werde dagegenhalten. Er werde etwa in den nächsten Monaten gegen die ORF-Gebühren kampagnisieren und ein Modell propagieren, "wie man fernsehen kann, ohne GIS-Gebühren zu zahlen". "Es gibt Fernseher ohne Empfangsteile, die nur fürs Streamen geeignet sind", wirbt Hofer.

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Die FPÖ will auch ihr Selbstbild als Partei der Autofahrer pflegen. In Deutschland, schwärmt Hofer, gibt es auf den Autobahnen "freie Fahrt". Und bei uns? "Soll man zu Fuß gehen auf der Autobahn?" Heftiger Applaus im Auditorium.

Er habe jedenfalls die "türkische Führerscheinprüfung" abgeschafft. Dann diese Elektroautos, eigentlich CO2-Schleudern. Jubel.

Ibiza zum Schluss

Hofer wird lauter: "Wir sind stolz, eine Rechtspartei zu sein. Wir wollen die stärkste Partei in Österreich werden. Wir haben es schon einmal geschafft, und wir werden es wieder schaffen. Es ist möglich." So wie auch Dominik Nepp Bürgermeister von Wien werden kann.

Und schließlich, ganz zum Schluss, doch noch Ibiza. "Das Video anschauen war für uns schrecklich", samt Aufarbeitung der ganzen Geschichte, sagt Hofer. "So was darf nie wieder passieren – nie wieder." (Walter Müller, 11.1.2020)