Tsai Ing-wen ist eine offene Befürworterin der pro-demokratischen Bewegung in Hongkong.

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Taipeh – Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen ist mit klarer Mehrheit für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden. Die Amtsinhaberin hat vorläufigen Hochrechnungen zufolge rund 57 Prozent der Stimmen bekommen. Ihr Herausforderer Han Kuo-yu gestand am Samstagabend (Ortszeit) seine Niederlage ein, er kam auf lediglich 38 Prozent der Stimmen.

Als dritter Kandidat gewann der 77-jährige James Soong von der kleinen konservativen People-First-Partei in seinem vierten Anlauf bei einer Wahl nur vier Prozent der Stimmen. Die Fortschrittspartei der Präsidentin konnte im 113 Sitze zählenden Parlament mit voraussichtlich rund 60 Sitzen ihre Mehrheit verteidigen.

In ihrer Siegesrede vor ihren Anhängern am Samstag in Taipeh dankte Tsai allen, die sich an der Wahl beteiligt haben – egal, für wen sie gestimmt hätten. "Mit jeder Präsidentenwahl zeigt Taiwan der Welt, wie sehr wir unseren freien und demokratischen Lebensstil zu schätzen wissen."

Tsai fordert mehr internationale Anerkennung Taiwans

In einem Appell an die Weltgemeinschaft rief Tsai Ing-wen zu mehr Anerkennung für die von China isolierte Inselrepublik auf. "Alle Länder sollten Taiwan als Partner, nicht als Problem betrachten." Taiwan sei ein unverzichtbares Mitglied der Weltgemeinschaft und sei bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Die USA haben der alten und neuen Präsidentin zu ihrem Sieg gratuliert. US-Außenminister Mike Pompeo bedankte sich auf Twitter auch für die "starke Partnerschaft" zwischen den zwei Ländern.

Dass die USA mit dem Ergebnis zufrieden sind, liegt an dem politischen Kurs der Amtsinhaberin: Der ist nämlich klar gegen einen zunehmenden Einfluss Pekings auf den Inselstaat. Mit Tsais Sieg haben die Bewohner Taiwans somit auch einer Annäherung an Peking eine Absage erteilt. Die 63-jährige Präsidentin hatte ihren Wahlkampf unter dem Motto "Widerstand gegen China, Taiwan verteidigen" geführt.

Auch die Situation in Hongkong hat sie für sich nutzen können. In der Sonderverwaltungszone der Volksrepublik kommt es ja seit Juni zu massiven Protesten gegen den zunehmenden Einfluss aus Peking. Tsai baute ihre Kampagne ganz nach dem Motto auf: Taiwan dürfe nicht Hongkong werden. Die seit 2016 amtierende Präsidentin ist ja eine offene Befürworterin der pro-demokratische Bewegung in Hongkong.

Die "abtrünnige Provinz" bleibt unabhängig

Seit ihrem ersten Amtsantritt hatten sich Spannungen zwischen Taipeh und Peking verschärft. China sieht Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit der Volksrepublik vereinigt werden soll – notfalls auch mit Gewalt. Die Volksrepublik und der Inselstaat hatten sich 1992 auf einen Kompromiss geeinigt, in dem beide anerkennen, dass es ein "China" gibt. Was dieses "China" aber ist, wird unterschiedlich interpretiert.

Seit sich im November 2019 ein vermeintlicher Spion Chinas namens Wang Liqian selbst enttarnte, ist klar, wie stark Peking versucht, die Wahlen in Taiwan zu beeinflussen. Laut seinen eigenen Angaben war Wang Teil einer Cyber-Armee, die mit gefälschten Facebook-Seiten und Youtube-Videos die Wahl am Samstag zugunsten Pekings beeinflussen sollte.

Taiwan ist international zunehmend isoliert. Nur noch 15 Länder pflegen diplomatische Beziehungen mit Taipeh. (red, APA, 11.1.2020)