Steht im Musikverein nicht nur fürs Neujahrskonzert (zuletzt 2018 und wieder 2021) am Dirigentenpult: Riccardo Muti.

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Ein sechstes und allerletztes Mal wird er sich das enorm publikumswirksame und stressige Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker noch antun, im Abendrot seiner strahlend hellen Dirigentenkarriere. Denn 2021 wird Riccardo Muti nicht nur 80 Jahre alt, nein, der elegante Italiener feiert auch ein halbes Jahrhundert der freien und doch konstanten Künstlerpartnerschaft mit dem Wiener Spitzenorchester.

An das Chicago Symphony Orchestra ist Muti seit 2010 (und noch bis 2022) vertraglich gebunden. Die vielen Trainings mit dem gestrengen Meister haben dem Orchester nicht geschadet: Beim ersten der drei Gastspielabende begegnete man im Großen Musikvereinssaal einem Klangkörper, der nicht nur die Herausforderungen in den drei Partiturparcours von Richard Wagner (Ouvertüre zu Der fliegende Holländer), Paul Hindemith (Symphonie Mathis derMaler) und Sergej Prokofjew (3. Symphonie) glänzend bewältigte, sondern auch mit ästhetischen Reizen zu gefallen wusste. Die satte Wärme der Streicher und der edle Ton der Holzbläser wären diesbezüglich zu nennen.

Wie ein Gröler im Kirchenchor

Leider dominierten die Posaunen mit ihrem überlauten Spiel nicht nur das Blech, sondern zerstörten die Klangbalance im Orchester oft auf grenzordinäre Weise: wie wenn ein angetrunkener Bierzelt-Gröler im Kirchenchor mitsingt. Unverständlich, dass der auf zivilisierte Umgangsformen bedachte Maestro ein solches Verhalten duldete.

Mitunter übertreibt es Muti ja mit seiner Chefbutler-Akkuratesse: Beim Philharmonischen vergangenen Dezember wurde Strawinskys Divertimento aus Le baiser de la fée auf blutleere, abgezirkelte Weise getanzt. Beim Konzert am Samstagabend kamen dank der Vitalität der Musiker und der Ideen- und Stimmfülle der Werke kaum je Anämieängste auf. Alexander Skrjabins Rêverie wurde beifallsbedingt zugegeben. (sten, 12.1.2020)