Nackt und tot wird ein junger Mann im Laub vor einer verlassenen Villa gefunden. Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ermitteln unter mobbenden Mitschülern – die ihre Fähigkeiten auch gleich an Kommissar Schenk versuchen, dem sie mit einem Handyvideo die Belästigung einer Schülerin nachsagen. Viele Kritiken über den neuen "Tatort" aus Köln sind, vorsichtig gesagt, mäßig. Aber wie sehen Sie den Sonntagskrimi des WDR?

Doktorspiele 3.0

Für "Spiegel"-Kritiker Christian Buß läuft "läuft die Kombination von Sexualdrama und Ermittler-Krimi ins Leere. Obwohl die Filmemacher (Buch: Johannes Rotter, Regie: Felix Herzogenrath) vorgeben, einen genauen Blick auf die unübersichtlichen amourösen und machtpolitischen Frontverläufe zu werfen, bleiben sie doch voll in der Perspektive der Ermittler-Oldies, für die das mörderische Mit- und Gegeneinander der Kids nichts anderes ist als ein hormonell und digital hochbeschleunigter Zeitvertreib. Doktorspiele 3.0." Buß vergibt vier von zehn Punkten.

ORF/ARD/Thomas Kost

Noch einmal drehen

Philip Seidel befundet in der Münchner "Abendzeitung" auch eher unerfreut: "Hätte der ARD-Tatort das Budget eines Hollywood-Blockbusters, hätte man die zweite Hälfte vermutlich einfach noch mal gedreht. Irgendwann weiß man bei diesem Krimi aus Köln nicht mehr, wer wen aus welchen Gründen geküsst hat, wer wen deswegen verachtet hat – und wer das so untragbar fand, dass er dafür jemanden ermordet hat. Gemobbt wird auch viel." Und: "Dieser Tatort will zu viele Themen abhandeln und verheddert sich dabei heillos."

ORF/ARD/Thomas Kost

Im Schutz der Öffentlichkeit

Cornelius Pollmer urteilt in der "Süddeutschen Zeitung" gnädiger: "'Kein Mitleid, keine Gnade' ist ein kalter, ein trauriger Film. Getragen wird er von dem so verstörenden wie überzeugenden Cast der Abschlussklasse. Verschiedene Gefälle setzen die Schüler stärker unter Stress als die bevorstehende Bio-Klausur. Die Eltern des Dings sind reich, die Mutter der Bums ist es nicht und geht deswegen bei den Dings putzen. Der eine ist schwul und will das nicht unterdrücken müssen, der andere traut sich nicht mal, einfach nur kein Problem damit zu haben. Hass und Gewalt bahnen sich in diesen Gefällen ihre Wege, und ganz besonders treffen sie den Schüler Jan Sattler, der nackt und so reglos in nassem Laub herumliegt, dass eine Schnecke sich seelenruhig bei ihm einschleimt. Dass Jan gemobbt worden sei, habe sie aber schon mitbekommen, fragen die Kommissare Ballauf und Schenk mit leichtem Puls die Lehrerin von Sattler. Sie sagt: "So etwas passiert nicht im Klassenraum, sondern auf dem Schulweg, in den Pausen, im Internet." Überall dort also, wo Öffentlichkeit Tätern Schutz bietet.

ORF/ARD/Thomas Kost

Insgesamt leider oberflächlich

STANDARD-Kritikerin Birgit Baumann klingt enttäuscht vom Kölner "Tatort": "Jedes einzelne Unglück hätte mehr Tiefe und Betrachtung verdient. Doch auch das Mobbingproblem des Kommissars gerät bloß zur oberflächlichen Angelegenheit. " (red, 12.1.2020)

Und wie sehen Sie den neuen "Tatort" "Kein Mitlied, keine Gnade" aus Köln? Wir sind gespannt auf Ihre Meinung:

ORF/ARD/Thomas Kost