Margarete Schramböck (ÖVP) gehört auch dem zweiten Kabinett von Sebastian Kurz an. Sie will verhindern, dass zu starke Klimaakzente die Betriebe vertreiben, und sorgt sich wegen des Fachkräftemangels. Lohndumping befürchtet sie keines, wenn mehr qualifiziertes Personal aus dem Ausland geholt wird. Die Ausbildung will sie durch einen verpflichtenden "Talentecheck" verbessern und weiterhin mit neuen Lehrberufen wie beispielsweise Ökoberater Akzente setzen.

STANDARD: Sie haben in der letzten Regierung mit der FPÖ schon viele wirtschaftsfreundliche Maßnahmen wie den Zwölfstundentag und den Anschub großer Infrastrukturprojekte durchgesetzt. Geht dieser Kurs mit den Grünen weiter?

Schramböck: Unsere Kunden sind die Unternehmen, und die haben sich vorher schon für die Umwelt eingesetzt. Das findet man jetzt verstärkt im Regierungsprogramm wieder. Es ergeben sich aus der Ökologie Chancen im Bereich Innovation und Technologie, um den Standort zu stärken. Dadurch kann umweltfreundliche Produktion nach Europa zurückgebracht werden.

STANDARD: Aber beim CO2-Preis oder der Verschärfung der Umweltverträglichkeitsprüfung haben die Wirtschaftsvertreter keine große Freude.

Erst Regierungsverhandlerin, dann Ministerin: Margarete Schramböck.
Foto: Regine Hendrich

Schramböck: Verschärfen ist nicht unser Ziel, sondern beschleunigen. Das brauchen wir schon, um die Investitionen für die erneuerbare Energie zu realisieren. Beim CO2-Preis können wir nicht aus der Hüfte schießen, sondern müssen mit Experten und Vertretern aus der Wirtschaft ein Konzept entwickeln. Vielleicht gelingt uns etwas Einzigartiges.

STANDARD: Die Schweiz und Schweden haben schon lange eine CO2-Steuer, warum muss man da so lange herumtüfteln?

Schramböck: Das muss schon sorgfältig diskutiert werden. Ich will nicht, dass durch CO2-Steuern Arbeitsplätze verschwinden. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Investitionen in Österreich bleiben.

STANDARD: Gegen das Standortentwicklungsgesetz, mit dem große Bauvorhaben rascher genehmigt werden sollen, geht die EU-Kommission vor, dennoch hat die Regierung keine Änderungen paktiert. Haben die Grünen da keinen großen Druck gemacht?

Schramböck: Ich sehe das EU-Verfahren sehr gelassen, weil das Gesetz mit Experten entwickelt wurde. Wir haben eine klare Vereinbarung, dass wir Dinge, die wir mit der FPÖ gemacht haben, nicht zurücknehmen. Es ist wichtig, dass die Projekte rascher genehmigt werden.

Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Die ÖVP wünscht sich auch einige neue Autobahnen, etwa die Europaspange durch das Waldviertel. Ist das noch zeitgemäß?

Schramböck: Wir wollen auch die Regionen stärken. Dort müssen die Leute auch zur Arbeit kommen. Wir müssen daher im Ausbau rasch vorankommen.

STANDARD: Der Fachkräftemangel ist auch ein wichtiges Thema im türkis-grünen Regierungsprogramm. Was planen Sie da?

Schramböck: Wir benötigen eine Entbürokratisierung der Rot-Weiß-Rot-Karte, beispielsweise die Digitalisierung der Anträge und die Verkürzung der Verfahren. Wenn der IT-Experte aus Brasilien kommt und sechs Monate wartet, dann arbeitet er in Berlin oder München, aber nicht in Österreich. Außerdem soll die Austria Business Agency vor allem kleinen und mittleren Unternehmen helfen, Fachkräfte zu rekrutieren, auch innerhalb der EU. Da bauen wir gerade eine Plattform auf.

STANDARD: Bei der Ausweitung der Mangelberufsliste, beispielsweise auf Maurer, gibt es Einwände, dass die Betriebe billige Arbeitskräfte ins Land holen wollten. Was sagen Sie dazu?

Schramböck: Das kommt gerne von der SPÖ, ist aber falsch. Es geht nicht darum, Gehälter zu drücken. Für die Beschäftigten aus Drittstaaten ist ja auch die Bezahlung nach Kollektivvertrag verpflichtend. Darum finde ich, dass das Argument an den Haaren herbeigezogen ist.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Liegt es nicht – beispielsweise in der Gastronomie – oft an der schlechten Bezahlung, dass man zu wenige Österreicher findet?

Schramböck: Wir haben ja generell einen Mangel.

STANDARD: Bei 400.000 Arbeitslosen?

Schramböck: Das ist ein Ausbildungs- und Mobilitätsthema. Wir haben viel Bedarf im Westen und die höchste Arbeitslosigkeit in Wien. Die Zumutbarkeitsbestimmungen sind nicht so, dass man einen arbeitslosen Koch aus Wien verpflichten kann, nach Tirol zu gehen. Das halte ich bei jungen Menschen ohne Betreuungspflichten nicht für zielführend.

STANDARD: Wie wollen Sie die Fachausbildung weiter anpassen und mehr Frauen in techniknahe Berufe bringen?

Schramböck: Es wird einen verpflichtenden Talentecheck für alle 14-Jährigen geben. Das wird jetzt schon in mehreren Bundesländern gemacht, aber nicht einheitlich und nicht verpflichtend. Das soll dann auch für die allgemeinbildenden höheren Schulen gelten. Außerdem soll es neue Lehrberufe geben, beispielsweise im Bereich Wassermanagement oder Ökoberatung. Dass es funktioniert, auch junge Frauen in moderne Berufe zu bekommen, zeigen die letzten Änderungen bei der Lehre. Vor allem durch den neuen Beruf E-Commerce-Kaufmann/-frau ist der Anteil der jungen Frauen in IT-Berufen um 40 Prozent gestiegen. (Andreas Schnauder, 13.1.2020)