Tsai Ing-wen von der DPP ist die neue und alte Präsidentin Taiwans.

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Die alte und neue Präsidentin Taiwans hatte sich im Wahlkampf klar positioniert: "Mich zu wählen bedeutet, sich für Freiheit und Demokratie zu entscheiden", sagte Tsai Ing-wen der Presse am Freitag, am Tag bevor die Einwohner des 23-Millionen-Staats ihre Stimme abgaben. Taiwan wird mittlerweile nur noch von 15 Staaten anerkannt. Dafür sorgt Peking mit diplomatischem und finanziellem Druck. Umso deutlicher war das Zeichen der Bevölkerung: 57 Prozent stimmten für Tsai und sicherten ihr so eine zweite Amtszeit. Der Gegenkandidat von der pekingfreundlichen Kuomintang (KMT) kam auf 38 Prozent der Stimmen.

Tsai wurde 1956 in Zhongshan, einem Bezirk der Hauptstadt Taipeh, als jüngstes von elf Kindern geboren und entstammt der Volksgruppe der Hakka. Sie studierte Jus in den USA und später an der London School of Economics.

Im Jahr 2000 ging sie in die Politik und wurde 2008 Vorsitzende der Democratic Progressive Party (DPP). Nachdem sie 2011 dem Kandidaten der KMT unterlegen war, trat sie als Vorsitzende zurück, schon 2014 aber war sie wieder zurück an der Spitze der Partei und wurde 2016 die erste Präsidentin des Inselstaats.

Neue Realitäten

Lange Zeit war die taiwanische Bevölkerung gespalten. Die Machtübernahme der KMT auf der Insel 1949, nachdem Chiang Kai-shek den Bürgerkrieg gegen die Kommunisten verloren hatte, verlief nicht immer friedlich. Die Gegensätze zwischen der vom Festland kommenden Elite und der alteingesessenen Bevölkerung hielten sich bis heute. Und sie zeigen sich auch in der Politik der zwei größten Parteien. Während die KMT einer Wiedervereinigung prinzipiell aufgeschlossen gegenübersteht, kommt das vor allem für die jungen Wählerinnen und Wähler der DPP nicht infrage.

Weil Tsai nie verheiratet war und kinderlos ist, sah sie sich immer wieder Angriffen konservativer Kreise ausgesetzt. Doch die Zeiten haben sich geändert: Taiwan ist eine moderne, offene Gesellschaft geworden. Hier wurde erstmals in Ostasien die Ehe für alle legalisiert. 83 Prozent der Erstwähler sehen sich als Taiwaner, nur 1,1 Prozent bezeichnen sich als Chinesen. Und nur sechs Prozent der Bevölkerung wünschen sich noch eine Vereinigung mit dem Festland. Die Proteste in Hongkong haben gerade der jungen Generation nochmals gezeigt, was auf dem Spiel steht, sollte sich ihr Land mit dem Festland wiedervereinigen. (Philipp Mattheis, 12.1.2020)