In der Grenzregion zwischen dem Niger, Mali und Burkina Faso patrouillieren auch US-Soldaten.

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Beim Angriff islamistischer Extremisten auf einen nigrischen Militärposten an der Grenze zu Mali sind Ende vergangener Woche nicht – wie zunächst berichtet – 25, sondern mehr als 90 Soldaten getötet worden: der tödlichste Überfall von Jihadisten auf den westafrikanischen Staat Niger überhaupt. Aus Militärkreisen will Reuters erfahren haben, dass in der Hauptstadt Niamey am Wochenende allein 89 Soldaten bestattet wurden.

Am Ort des Überfall, dem gut 200 Kilometer nördlich von Niamey gelegenen Chinagodrar, waren bereits zuvor mehrere Soldaten begraben worden. Der Überfall sandte erneut Schockwellen durch den Sahelstaat: Erst im Dezember waren in einer anderen nigrischen Militärstation über 70 Soldaten bei einem Angriff der Jihadisten ums Leben gekommen.

Nach Angaben der unabhängigen Organisation Armed Conflict Location and Event Data Project (Acled) hat sich die Zahl der Todesopfer von Terrorangriffen im Niger inzwischen vervierfacht: Im vergangenen Jahr kamen dabei fast 400 Menschen ums Leben. Vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beklagte der UN-Sonderbeauftragte für Westafrika, Mohamed Ibn Chambas, einen "verheerenden Anstieg" terroristischer Überfälle in der gesamten Sahelregion: Im Niger, Mali und Burkina Faso habe sich die Zahl der Opfer derartiger Attacken in den vergangenen drei Jahren von 770 auf über 4.000 mehr als verfünffacht. Das sich immer weiter nach Süden ausbreitende Operationsgebiet gefährde zunehmend auch die Küstenstaaten am Atlantischen Ozean, fügte Chambas hinzu.

Die Zahl der Vertriebenen steigerte sich nach Angaben des Sonderbeauftragten sogar um das Zehnfache: Über eine halbe Million Menschen hätten wegen der Terrorangriffe in der Sahelzone bereits ihr Zuhause verloren. In der Region sind zahlreiche Terrorgruppen aktiv, die sich entweder Al-Kaida im Maghreb (Aqim) oder der "Westafrikanischen Provinz des Islamischen Staates" (IS) zugehörig erklären.

Keine der beiden Organisationen hat bislang die Verantwortung für den jüngsten Angriff im Niger übernommen. Allerdings veröffentlichte der IS auf seiner Website "Amaq News" ein ausführliches Video, in dem Bilder zahlreicher Angriffe der jüngsten Zeit enthalten sind. Die Terrorgruppe behauptet auch, für den Absturz zweier französischer Hubschrauber verantwortlich zu sein, bei dem im November 13 französische Soldaten getötet wurden.

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Anfang Dezember wurden die Särge von 13 französischen Soldaten im Invalidendom in Paris aufgebahrt.
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Treffen in Pau

In der südfranzösischen Stadt Pau, dem Stationierungsort der ums Leben gekommenen Soldaten, werden am Montag fünf afrikanische Staatschefs mit ihrem Amtskollegen Emmanuel Macron zu einem dreistündigen Treffen zusammenkommen, um über die Lage in der Sahelregion zu beraten. Macron möchte die Zahl der in Westafrika operierenden französischen Soldaten reduzieren: Allein in Mali, Burkina Faso und dem Niger sind im Rahmen der Antiterrormission "Berkhane" rund 3.000 Legionäre stationiert.

Appell an Berlin

Macron appellierte an die deutsche Regierung, bei der "Sicherung" der Sahelzone eine größere Rolle zu übernehmen: Gegenwärtig sind in Mali rund 100 Bundeswehrsoldaten stationiert, die das dortige Militär ausbilden und den in Mali stationierten Blauhelmen mit Drohnen beschafftes Aufklärungsmaterial zur Verfügung stellen. Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigte sich dem Wunsch aus Paris gegenüber aufgeschlossen.

Antifranzösische Proteste in Bamako.
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Kenner der Sahelzone sind sich allerdings einig, dass es für das Terrorproblem in der Region keine rein militärische Lösung geben kann: Selbst der Chef des französischen Generalstabs, François Lecointre, räumte das kürzlich ein. Vor allem in Mali wächst die Kritik der Bevölkerung an der Präsenz französischer Soldaten: In der Hauptstadt Bamako gingen am Freitag hunderte Demonstranten auf die Straße, um den Abzug der Legionäre zu fordern. (Johannes Dieterich, 13.1.2020)