Ein guter Impfstatus ist im Falle einer Krebserkrankung von Vorteil, denn die Chemotherapie senkt die Immunabwehr und macht krankheitsanfällig. Gut, wer dann bereits gegen gefährliche Infekte immun ist.

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In Österreich leben derzeit mehr als 350.000 Menschen mit Krebs. Ein erheblicher Teil von ihnen dürfte – entweder durch diese Krankheiten an sich oder durch die Therapie – eine ausgesprochen schlechte Abwehr gegen durch Impfung verhinderbare Erkrankungen aufweisen. Dies hat eine neue Studie von Wiener Wissenschaftern und Wissenschafterinnen der Med-Uni Wien/AKH ergeben.

Sie verglichen die Antikörper-Konzentrationen als Zeichen der körpereigenen Abwehr von insgesamt 478 Erwachsenen mit Tumorerkrankungen oder Blutkrebsformen mit jenen von 117 gesunden Personen. Damit wurde die Abwehrlage bei zehn durch Impfung verhinderbaren Erkrankungen untersucht: Masern, Mumps, Röteln, Varizellen, Hepatitis A und B, Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und FSME.

Reduzierte Abwehr

Die Ergebnisse sprechen für erhebliche Defizite. "Wir haben herausgefunden, dass bei Patienten mit Tumorerkrankungen, wie Brustkrebs, Prostata-, Darmkrebs die Antikörper-Spiegel bei fünf der Erkrankungen signifikant geringer waren als bei den gesunden Kontrollpersonen. Noch drastischer war das bei den Blutkrebspatienten (Multiples Myelom oder Lymphome), wo die Antikörper-Konzentrationen bei allen zehn Erkrankungen niedriger waren", schreiben die Experten, unter wissenschaftlicher Leitung der Wiener Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt und des Onkologen Christoph Zielinski vom Vienna Cancer Center.

Bei den Krebskranken mit sogenannten soliden Tumoren, also Tumoren von Organen, gab es niedrigere Antikörper-Spiegel gegen Masern, Hepatitis B, Diphtherie, Tetanus und FSME. Nicht eindeutig belegt werden konnte, ob diese Effekte durch die Krebskrankheit selbst, die oft immunsupprimierende Krebstherapie etwa Chemotherapie un/oder Strahlentherapie einhergeht oder durch versäumte Impfungen verursacht wurden.

Die Zeitachse berücksichtigen

Es ergaben sich aber Hinweise für die Ursachen: Da sowohl Krebspatienten mit Geburtsjahrgang vor wie auch nach der Einführung der Masernimpfung in Österreich (1974) geringere Abwehrkräfte gegen die potenziell gefährliche und hochansteckende Viruserkrankung aufwiesen, dürfte die zumindest die "Masern-Immunschwäche" eher eine Folge der Krebserkrankung oder der onkologischen Therapie gewesen sein. Bei den bösartigen hämatologischen Erkrankungen könnte das Bild je nach spezieller Form von Blutkrebs unterschiedlich sein.

Die Wissenschafter weisen darauf hin, dass diese Ergebnisse eine erhebliche zusätzliche Erkrankungsgefahr durch per Impfung verhinderbare Infektionen bei Krebspatienten belegen. Gerade deshalb sollten (Auffrischungs-)Impfungen routinemäßig und möglichst früh in der Behandlung von Patienten mit bösartigen Erkrankungen vorgesehen werden.

Vor der Chemo

Grundsätzlich gilt laut einem österreichischen Expertenpapier aus dem Jahr 2016, dass alle Impfungen, die im Österreichischen Impfplan empfohlen werden, vor dem geplanten Start einer immunsuppressiven Therapie und bei chronischen Erkrankungen so früh wie möglich durchgeführt werden sollten. Bei schwerer Immunsuppression sollten Lebendimpfstoffe nicht verabreicht werden. Es kann aber auch Ausnahmen geben.

Anders ist das bei Totimpfstoffen: Keuchhusten, Pneumokokken, Polio-Impfung zum Injizieren, die meisten Influenza-Vakzine, Hepatitis-Vakzine etc. Sie können auch Abwehrgeschwächten gut verabreicht werden. Es gibt auch Strategien, um den Effekt von Immunisierungen zu erhöhen. Eine wichtige Schlussfolgerung dieser Arbeit ist, dass Impfungen zum Gesamtbehandlungskonzept von Krebspatienten gehören. (APA/red, 14.1.2020)