Mord ist eines der wohl schwersten Verbrechen, die man begehen kann. Man beendet absichtlich und gewaltsam das Leben eines anderen Menschen und fügt auch seiner Familie und Freunden damit Leid zu, das sich niemals wieder gut machen lässt. Doch wie wird man zu einem Mörder?

Dieser Frage geht man unter anderem beim Youtube-Kanal Hyperbole nach. Dort pflegt man das Interview-Format "Frag‘ ein Klischee", bei dem jene zu Wort kommen, über die oft sonst nur berichtet wird.

So auch Henry-Oliver Jakobs. Der Deutsche verbrachte wegen Mord und versuchtem Mord 19 Jahre im Gefängnis. Heute engagiert er sich beim Verein "Gefangene helfen", der sich der Präventionsarbeit gegen Gewalt und Rechtsextremismus verschrieben hat.

HYPERBOLE

Mord nach Streit mit Geschäftspartnern

Jakobs Weg dort hin war lang. Als Sohn zweier sehr junger Eltern driftete er schon früh ins kriminelle Milieu ab und beging Diebstähle. Früh auch war er Teil gewalttätiger Auseinandersetzungen auf der Straße. Regeln galten für ihn nur in Schule und Ausbildung. Er beging Körperverletzungen, später folgten Raubüberfälle, Einbrüche und Hehlerei.

Dennoch gründete er als fertig ausgebildeter Bürokaufmann mit 18 ein eigenes Unternehmen, ohne aber der Kriminalität den Rücken zu kehren. 1995 geriet er in Streit mit Geschäftspartnern. Es kam zur Eskalation. Er lockte die beiden Personen an einen Ort, wo er hinterrücks auf sie schoss. Einer der beiden überlebte allerdings, was schließlich zu Jakobs Festnahme führte.

Folgen

Er habe die Tat über Wochen geplant und sei dabei aus einem inneren Kreislauf der "Verzehrung" nicht mehr herausgekommen. Auf die Frage, wie es sich anfühlt, einem Menschen das Leben zu nehmen, antwortet er: "Damals war es mir relativ egal, ob ich jemanden verletze oder auch töte. (…) Heute kann ich es selber nicht verstehen. Es ekelt mich manchmal auch an." Es fühle sich auch heute immer noch "ziemlich scheiße" an.

Die Tat führte auch zur Entfremdung mit seiner eigenen Familie. Nur sein Vater habe ihn regelmäßig im Gefängnis besucht, sei aber bald verstorben. Heute habe er keinen Kontakt mehr zu Verwandten oder den Familien der Opfer. Er habe später darüber nachgedacht, vielleicht mit dem Überlebenden Kontakt aufzunehmen, davon habe ihm der "Weiße Ring" (eine Organisation, die Verbrechensopfern hilft) aber weitestgehend abgeraten. Heute sei er auf den Standpunkt dass er als Täter eine Entscheidung für sein Opfer getroffen habe und durch die Kontaktaufnahme erneut in dessen Leben eingreifen würde. Auch habe er Angst davor.

Langer Weg

Was er direkt nach dem Mord gefühlt habe, wisse er nicht mehr. Er sei aber am gleichen Abend noch Essen gegangen. Lange habe er die Schuld für die Tat bei anderen gesucht. Es sei ein langwieriger Prozess gewesen, bis er sich seinen Fehler eingestanden habe. Entschuldigt habe er sich daher bei den Eltern des zu Tode gekommenen Opfers noch nicht, er wisse aber auch nicht, ob sie noch lebten.

Nach 19 Jahren einer ursprünglich lebenslangen Haftstrafe wurde Jakobs schließlich begnadigt und auf Bewährung entlassen. Ob die Strafe seiner Tat angemessen sei, könne er nicht sagen. Den oft verwendeten Begriff "Wiedergutmachung" halte er allerdings für "äußerst perfide", weil seine Tat nicht wieder gut zu machen sei. Auch darum sei es ihm ein Anliegen, andere davon zu überzeugen, gar nicht erst in diese Situation zu kommen.

Jakobs spricht auch über seine Einstellung zur Todesstrafe, sein Leben im Gefängnis, seinen ersten Tag zurück in Freiheit und eine Reihe anderer Aspekte in dem sehenswerten Interview.

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Spannende Interviewpartner

"Frag‘ ein Klischee" wartet aber auch mit einer Reihe anderer spannender Gespräche auf. So stellte man etwa auch zahlreiche Fragen an Francy, die einst von zwei Männern vergewaltigt worden war. Wie auch bei den anderen Interviews stammen die Fragen zum Teil von den Zusehern des Kanals.

Zu Wort kommen auch ein Vergewaltigungsopfer, ein Drogenkurier, ein Hochbegabter, eine Depressive, ein Glücksspielsüchtiger und viele andere Menschen, die spannende Perspektiven und Einblicke in ihr Leben und ihre Vergangenheit bieten. (gpi, 19.01.2020)

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