Länger im All unterwegs als geplant: Hugh Laurie als Captain und Josh Gad und Suzy Nakamura (v. li.) als Besitzer der Avenue 5.


Foto: HBO/Sky

Eine achtwöchige Kreuzfahrt rund um den Planeten Saturn gefällig? 40 Jahre in der Zukunft ist das kein Problem. Zumindest bis eine versehentliche Schwerkraftumkehr dafür sorgt, dass rund 5000 Passagiere vorübergehend auf einer Seite ihres Raumschiffs festkleben. Nicht ohne Folgen: Die Reisezeit nach Hause zum Planeten Erde verlängert sich aufgrund einer veränderten Flugbahn auf gut drei Jahre.

Meister der Beschwichtigung

In der Science-Fiction-Comedy-Serie Avenue 5, zu sehen ab kommendem Montag auf Sky, herrscht also gegenüber den Weltraumtouristen bald einiger Erklärungsbedarf. Da trifft es sich gut, dass der von Hugh Laurie (Dr. House) mit gut abgehangenem Charme und trockenem Humor verkörperte Captain Ryan Clark vor allem in einem glänzt: als Meister der Beschwichtigung. Es schadet auch nicht, dass der Zauber der Montur bis zu einem gewissen Grad selbst im Weltall wirkt.

Der Wohlfühlkapitän in der schmucken Uniform schüttelt locker Phrasen aus dem Ärmel, wie sie jedem Reiseleiter gut anstehen würden. Überhaupt unterscheidet sich eine Weltraumreise, womit wir beim Kern von Armando Iannuccis rundum gelungener Scifi-Satire wären, offenbar kaum von einer herkömmlichen Kreuzfahrt.

Lautstarken Ehestreit über sexuelle und sonstige Unzulänglichkeiten gibt es auch am Raumschiffbuffet. Und Trainingsanzüge, grelle Hawaii-Hemden und kurze Hosen signalisieren selbst im wohl klimatisierten Weltraumkreuzer Ferienlaune. Nur die Yoga-Klassen sind größer, wir werden sogar Zeuge einer "Yoga-Supernova". Schnell schwingt sich eine besonders resolute Touristin (Rebecca Front) zum Sprachrohr der Unzufriedenen und Verunsicherten auf, die es ruhigzustellen gilt.

Trailer zu "Avenue 5".
HBO

Schließlich hat Herman Judd, der von Josh Gad (The Comedians) verkörperte, milliardenschwere Besitzer des Touristenraumschiffs Avenue 5,nichts zu verschenken. Die notwendig gewordenen Beruhigungspillen sollten möglichst billig sein. Die Lieblingspassagiere sind und bleiben die Aktionäre. Klassenunterschiede machen eben auch vor dem Weltall nicht halt. Im Gegenteil.

Natürlich ist Iannuccis Blick in die unendlichen Weiten der Galaxis im Grunde ein scharfer Blick auf höchst irdische Verhältnisse. In der Zukunft spiegelt sich das Heute. Dass sich der schottische Autor und Regisseur auf treffsichere Satire versteht, hat er im Kino mit The Death of Stalin und In the Loop bewiesen. Für den US-Sender HBO, der jetzt auch Avenue 5 produziert, verantwortete Iannucci die Politsatire-Serie Veep – Die Vizepräsidentin.

Wie auf Erden, so im All

Nicht nur bei der Öffentlichkeitsarbeit gelten im Weltraumtourismus die gleichen Gesetze wie in der Politik. Umso vergnüglicher ist es zu sehen, wie Zach Woods (Silicon Valley) als Mann für "Customer Relations" oft aus der Rolle fällt und sich Suzy Nakamura (Dr. Ken) als Mitbesitzerin der fliegenden Weltraum-Hotellerie um Schadensbegrenzung bemüht. Auf der Erde versucht indessen die Chefin der "Mission Control" (Nikki Amuka-Bird) ihre Contenance dann noch zu wahren, wenn aus dem Weltall, durch die Distanz zeitlich verzögert, Beleidigungen auf sie einprasseln.

Es ist kein Zufall, dass die Brücke der Avenue 5 aussieht wie die Kommandozentrale des guten alten Raumschiff Enterprise. Die Aura des Bekannten vermittelt auch Weltraumtouristen Sicherheit. Es geht hier aber nicht um hehre Ansprüche wie die Erkundung ferner Planeten und Galaxien, sondern um eine touristische Unternehmung. Auf der Avenue 5,einem "gebrandeten Dildo", der durchs All fliegt, wird mehr in den schönen Schein investiert als in die Knochenarbeit, die das ganze Werkel am Laufen hält. Lenora Crichlow bekommt als Frau mit dem Schraubenschlüssel in der Hand viel zu tun.

Serviert wird diese Satire erfreulicherweise nicht mit dem Holzhammer, sondern sozusagen schwerelos, garniert von witzigen Einzeilern. Ein formidables Ensemble lässt seine Figuren wirken wie aus dem Leben gegriffen. Mit technischen Erklärungen für einen alltäglich gewordenen Weltraumtourismus hält sich Avenue 5 erst gar nicht auf. Und ist dennoch nicht nur eine der lustigsten, sondern realistischsten Science-Fiction-Serien überhaupt. Möge die Rückkehr zur Erde lange dauern. (Karl Gedlicka, 14.1.2020)