Mit dem Weihnachtsgeld decken viele Österreicher zuerst offene Rechnungen und Schulden ab – erst dann wird konsumiert.
Foto: Imago

Hätten Sie Vertrauen in einen Finanzminister, dessen Konto chronisch überzogen ist? Wohl nicht allzu viel. Es überrascht folglich wenig, wenn der neue Amtsinhaber Gernot Blümel in Antrittsinterviews beteuert, dass er sein Konto noch nie überzogen habe. Schön für ihn, aber weit weg vom Alltag vieler Steuerzahler, bei denen am Ende des Geldes sprichwörtlich noch viel Monat übrig ist.

Einer im Oktober veröffentlichten Umfrage des Vergleichsportals durchblicker.at zufolge gehen nämlich nur zehn Prozent der Österreicher davon aus, dass sich ihr Girokonto zu Monatsende noch im Plus befindet.

Teuerster aller Kredite

Anders ausgedrückt: Neun von zehn Österreichern nehmen regelmäßig die teuerste aller Kreditformen in Anspruch – und das kann ordentlich ins Geld gehen. Aktuell reicht bei Gehaltskonten laut dem Vergleichsportal der Arbeiterkammer unter bankenrechner.at die Bandbreite für Überziehungszinsen von 5,38 (Bankhaus Schelhammer & Schattera) bis 14 Prozent (Sparkasse Herzogenburg-Neulengbach). Der Medianwert liegt derzeit bei exakt 10,50 Prozent. Dabei wurden die Konditionen von insgesamt 82 Kontopaketen ausgewertet.

Wieso sind die Zinsen für ein überzogenes Konto noch so hoch, wenn die Europäische Zentralbank seit 2016 eine Nullzinspolitik fährt? Die Antwort: Es liegt eine Form von Marktversagen vor, wie Verbraucherschützer anmerken. Mit einem chronisch überzogenen Girokonto sei ein Bankwechsel kaum möglich, weshalb zwischen den Instituten entsprechend wenig Wettbewerb herrsche. Tatsächlich, in den vergangenen vier Monaten ist der Medianzins nur marginal von 10,63 auf die derzeitigen 10,50 Prozent gesunken.

Schon gehört? Wieso die meisten Österreicher verschuldet sind, welche Folgen das hat und was sich dagegen tun lässt, erklärt Bettina Pfluger im Podcast.

3,2 Milliarden Euro im Minus

Zumal auch die Motivation für Banken, mit tiefen Überziehungszinsen den Markt aufzumischen, überschaubar sein dürfte angesichts des Körberlgelds, das überzogene Konten für sie abwerfen. Laut Oesterreichischer Nationalbank lag das Volumen an überzogenen Konten im November 2019 bei 3,2 Milliarden Euro, was bei Anwendung des Medianzinssatzes für die Institute jährliche Zinseinkünfte von 336 Millionen Euro ergibt.

Aufseiten der Konsumenten lautet die Rechnung anders, nämlich gemäß Durchblicker wie folgt: Wer sein Konto regelmäßig überzieht, liegt demnach am Ende des Monats im Mittel mit 1.690 Euro im Minus. Bei einem monatlichen Durchschnittseingang von 1.523 Euro führt dies – je nach Überziehungszinssatz – für Betroffene aktuell zu jährlichen Zinskosten zwischen 54 und 141 Euro. Dieser Berechnung wurde der Mittelwert zwischen dem Kontostand bei Gehaltseingang und zu Monatsende zugrunde gelegt.

Weihnachtsgeld für Schulden

Dass die meisten ihr Konto nicht aus Jux und Tollerei, sondern aus Notwendigkeit überziehen, zeigt eine andere Erhebung von Durchblicker: Dieser zufolge verwendet die Mehrheit der befragten Arbeitnehmer, konkret 58 Prozent, das 14. Gehalt zumindest teilweise dafür, offene Rechnungen zu decken oder Schulden abzubauen. Erst dann wird das verbliebene Weihnachtsgeld für Geschenke, Konsum oder Reisen aufgewendet.

Genau zu diesem Vorgehen raten auch Konsumentenschützer, nämlich überzogene Konten nach Möglichkeit auszugleichen – etwa durch Guthaben auf de facto unverzinsten Sparbüchern. Alternativ können Betroffene auch auf einen günstigeren Ratenkredit umschulden oder über die Höhe der Überziehungszinsen mit der Hausbank verhandeln. Diesbezüglich besteht bei den meisten Instituten ein gewisser Spielraum. (Alexander Hahn, 14.1.2020)