Kimia Alizadeh teilt gerne aus. Die 21-jährige Iranerin hat sich der koreanischen Kampfkunst Taekwondo verschrieben, Watsche mit Fuß ist sozusagen ihre Spezialität.

Bei den Sommerspielen 2016 von Rio de Janeiro gewann sie als erste Frau ihres Landes eine olympische Medaille. In der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm nahm Alizadeh Bronze entgegen. "Meine Tochter Kimia. Du hast ganz Iran, besonders die Frauen, glücklich gemacht", gratulierte Präsident Hassan Rohani via Twitter.

Holte eine historische Medaille, setzte sich ab: Kimia Alizadeh.
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Nun, mittlerweile ist das Verhältnis zwischen Alizadeh und der Islamischen Republik am Persischen Golf etwas abgekühlt, die Kämpferin hat sich nach Europa abgesetzt. "Ich bin eine von Millionen unterdrückter Frauen im Iran", schrieb sie am Sonntag auf Instagram. "Ich habe angezogen, was auch immer sie gesagt haben. Ich habe jeden Satz wiederholt, den sie angeordnet haben. Wir sind ihnen nicht wichtig, wir sind nur Werkzeuge."

Iranische Athletinnen würden "gedemütigt und ausgenutzt", schrieb die Sportlerin weiter, "ich habe keinen anderen Wunsch als ein Leben mit Taekwondo, in Sicherheit und Gesundheit." An Heuchelei, Korruption und Lügen habe sie sich nicht beteiligen wollen. Den Offiziellen warf sie Ausbeutung und Sexismus vor. Die Vorwürfe treffen das Regime wie ein Schlag auf den Solarplexus.

So wurde Alizadeh nach ihrer Medaille im Iran empfangen.
Ruptly

Alizadeh wurde 1998 in Karadsch, einer Großstadt mit zwei Millionen Einwohnern etwas westlich der Hauptstadt Teheran, geboren. Ihr Talent für den Kampfsport ließ sich trotz bescheidener Trainingsbedingungen nicht ewig verbergen. Ab 2013 nahm sie an internationalen Juniorenbewerben teil, seit 2015 bestreitet sie Wettkämpfe im Profigeschäft. Unter dem Helm trägt sie dabei stets den Hidschab. Das hinderte die Frau mit der scharfen Handkante nicht daran, bei den Weltmeisterschaften 2015 und 2017 Bronze und Silber zu gewinnen.

Die britische Rundfunkanstalt BBC hat Alizadeh im Oktober 2019 in ihre jährlich veröffentlichte Liste der 100 inspirierendsten Frauen aufgenommen, neben Umweltaktivistin Greta Thunberg und der US-Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez. Ob die Abtrünnige 2020 an den Spielen von Tokio unter neutraler Flagge teilnehmen kann, ist ungewiss.

Die Entscheidung zu ihrer Flucht sei schwieriger gewesen, als Gold zu holen, sagt Alizadeh. Mit ihrer Heimat werde sie dennoch nicht brechen: "Ich bleibe eine Tochter des Iran, wo immer ich auch bin." (Philip Bauer, 13.1.2020)