Wer abwechslungsreiche Übungen macht, bleibt motivierter.

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Wer seine Muskeln zum Wachsen bringen will, muss sie verwirren. Das ist das Credo jener Fitnesstrainer, die auf "Confused Muscles" – übersetzt: verwirrte Muskeln – schwören. Soll heißen: keine Routine aufkommen lassen und die Muskeln immer wieder mit Übungen überraschen. So werden neue Reize gesetzt, an die sie sich anpassen müssen.

Für den Sportwissenschafter Michael Koller von der Sportordination in Wien macht Abwechslung Sinn, "weil sonst relativ schnell ein Plateau erreicht", also keine Steigerung beim Muskelwachstum mehr möglich ist. Wer im Fitnessstudio sonst an Kraftmaschinen trainiert, kann zum Beispiel mal an die Langhantel gehen, mit Gewichtsketten trainieren oder es mit Elektrostimulationstraining probieren.

Abwechslung ist aber auch beim Training zu Hause möglich. Etwa indem man auf instabilem Untergrund – einem Wackelbrett zum Beispiel – trainiert. Oder, ein ganz banaler Selbstversuch: im Einfüßlerstand die Augen schließen und das Gleichgewicht halten. "Besonders für ältere Menschen ist das schon eine Herausforderung", sagt Koller.

Neue Studie

Die These zu den "Confused Muscles" ist in der Sportwelt allerdings nicht unumstritten. Sie sei ein Marketingschmäh, meinen Kritiker und sprechen sich für ein anderes Trainingsprinzip aus. Es heißt "Progressive Overload". Dabei wird ein spezifischer Muskel auf die immer gleiche Art und Weise trainiert und die Intensität mit der Zeit gesteigert.

Welcher Zugang nun der bessere ist, haben sich brasilianische Forscher in einer vor kurzem erschienene Studie angeschaut. Sie schickten zwei Gruppen von gut trainierten Männern acht Wochen lang zum Krafttraining. An zwei Tagen pro Woche war der Oberkörper dran, an zwei Tagen die Beine.

Eine Gruppe hat die Körperpartien jeweils mit den immer gleichen Übungen trainiert. Die andere durfte mithilfe einer App in jeder Fitness-Einheit bei anderen Übungen schwitzen. Beide Gruppen führten je drei Sets von sechs Übungen mit jeweils zwei Minuten Pause durch.

Mehr Motivation

Das Ergebnis der Studie, an der insgesamt 19 Probanden teilnahmen: Das Muskelwachstum fiel in beiden Gruppen in etwa gleich aus. Einen entscheidenden Unterschied entdeckten die Wissenschafter aber: Jene Athleten, die mehr Abwechslung in ihrem Training hatten, waren am Ende der Studie motivierter als vorher. Bei der anderen Gruppe war das Gegenteil der Fall.

Allerdings betonen die Forscher, dass allzu viel Abwechslung beim Training sich negativ auf Muskelwachstum und -stärke auswirken könnte. Auch Sportwissenschafter Koller rät dazu, es mit der Abwechslung nicht zu übertreiben. "Die Muscle Confusion kann man zwar bis zum Exzess betreiben", sagt er. Aber sie sollte an den jeweiligen Trainingszustand angepasst werden. Sonst drohen Überlastungen der Muskulatur. Je nachdem, welche Muskeln trainiert werden, kann sich das beispielsweise in Rückenschmerzen oder Meniskusproblemen äußern.

Beim Sport bleiben

Die brasilianische Studie lässt allerdings auch Rückschlüsse für Menschen zu, denen beim Sport gern der Schweinehund in die Quere kommt. Oder für Fitnesscenter, denen Mitglieder schnell wieder abhandenkommen, weil sie sich nicht zum Sport aufraffen können: Die Antwort auf die mangelnde Motivation könnte in mehr Abwechslung beim Trainingsangebot liegen.

Den Effekt auf die Motivation hebt auch Sportwissenschafter Koller hervor: "Wenn es fad wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man mit Sport wieder aufhört", sagt er – und zwar nicht nur beim Kraftsport. Koller rät daher dazu, immer wieder neue Sportarten auszuprobieren. Das sportliche Interesse verändere sich auch mit den Jahren. Ein Beispiel: "Nur ganz wenige laufen jahrzehntelang Marathons." Stattdessen landen viele irgendwann beim Trailrunning – und dann beim Triathlon. (Franziska Zoidl, 15.2.2020)