Benedikt XVI. äußert sich zum Zölibat und warnt Papst Franziskus vor Veränderungen.

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Es ist eines dieser Dauerreizthemen, bei denen das Konservative auf das Progressive, das Erhaltende auf den Zeitgeist trifft, ähnlich den Diskussionen um Abtreibungen oder die gleichgeschlechtliche Ehe. Die Frage, die die katholische Kirche derzeit einmal mehr umtreibt, lautet: Passt der verpflichtende Zölibat noch in die Gegenwart? Nun hat sich sogar Ex-Papst Benedikt XVI. öffentlich gegen eine Aufweichung der Ehelosigkeit ausgesprochen und so Papst Franziskus unter Druck gesetzt.

Man könnte an dieser Stelle anmerken, dass Petrus selbst, laut katholischer Auffassung der erste Papst, der Überlieferung zufolge verheiratet war. Man könnte in die Diskussion werfen, dass der Zölibat kein kirchliches Dogma, sondern lediglich ein kirchliches Gesetz ist, noch dazu mit einigen wenigen Ausnahmen. Dass er erst seit 1139 Voraussetzung für die Priesterweihe ist und in der Bibel keine Rolle spielt. Im Gegenzug könnte man Benedikt zitieren, der meint, ein Priester sei mit der Kirche verheiratet. Und dass Jesus es vorgelebt habe, also unverheiratet blieb.

Sehen wir die Angelegenheit daher einmal aus pragmatischer Sicht: Soll es Ausnahmen geben, um einem Priestermangel zu entgegnen, wie er aktuell in Amazonien vorherrscht? Absolut, das sah auch eine überwältigende Mehrheit bei der entsprechenden Synode im Herbst so.

Missbrauchsskandale

Ist der verpflichtende Zölibat einer der Gründe für die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche? Geht es nach zahlreichen Experten, dann ist die Antwort ein eindeutiges Ja. Kirchenhistoriker Hubert Wolf spricht vom Zölibat als "Risikofaktor" beim Thema Missbrauch. Der Psychiater Harald Dreßing, der eine groß angelegte Studie über Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland leitete, erklärte vor einem Jahr dem STANDARD, dass der Zölibat wie ein Magnet auf persönlich und sexuell unreife Menschen wirke.

Man könnte es natürlich auch mit Benedikt halten, der meint, die sexuelle Revolution in den 1960er-Jahren habe zum sexuellen Missbrauch geführt. Aber gut, das hat weder etwas mit Pragmatismus noch mit Logik zu tun.

Schließlich gibt es noch die ökonomische Komponente: Der Zölibat wurde auch deshalb eingeführt, um keine Familien versorgen beziehungsweise mit einem Erbe bedenken zu müssen. Doch das könnte sich die Kirche wahrlich leisten. Es wäre ein wichtiger Schritt, um die Kirche ins 21. Jahrhundert zu führen: Zölibat ja, aber mit zahlreichen nachvollziehbaren Ausnahmen. (13.1.2020)