Alireza Firouzja ist eines der größten Schachtalente weltweit. Bei der Schnellschach-WM Ende Dezember in Moskau belegte der 16-Jährige sensationell den zweiten Platz. Er lebt seit Monaten in Frankreich.

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18. August 2016, Rio de Janeiro: Kimia Alizadeh holt Taekwondo-Bronze in der Klasse bis 57 Kilo, die erste Olympiamedaille einer Iranerin.

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Natürlich hat der Iran noch ganz andere Probleme. Aber es passt ins Bild, dass ihm jetzt noch die einzige Sportlerin abhandenkam, die ihm jemals eine olympische Medaille beschert hat. Die Taekwondo-Kämpferin Kimia Alizadeh (21), Dritte der Spiele 2016 in Rio de Janeiro, begründete ihre Flucht mit der politischen Situation in der Islamischen Republik und nannte sich in einem Instagram-Eintrag "eine von Millionen unterdrückten Frauen im Iran".

Alizadeh reiht sich ein in eine Vielzahl iranischer Sportlerinnen und Sportler, die ihrer Heimat den Rücken gekehrt haben. Im Spätsommer hatte der Fall des Judo-Weltmeisters Saeid Mollaei für weltweites Aufsehen gesorgt. Er wurde bei der WM in Tokio von Trainern und Funktionären zu einer Niederlage gezwungen, um einen Kampf gegen einen Israeli zu vermeiden. Mollaei setzte sich daraufhin nach Deutschland ab – nach dem Vorbild seines Landsmanns Vahid Sarlak, der sich 2010 abgesetzt hatte, seit 2017 deutscher Staatsbürger ist und vor kurzem im STANDARD-Sportmonolog seine Geschichte erzählte.

Vergleich mit Israelis verboten

Sarlak ist nun Trainer in Mönchengladbach und Teamcoach von Tadschikistan. Mollaei hat mittlerweile einen mongolischen Reisepass, es ist davon auszugehen, dass er bei den Olympischen Spielen im Sommer in Tokio auf die Matte gehen wird. Dem Iran droht dafür die Zuseherrolle, jedenfalls wurde seine Judo-Föderation vom Weltverband bis auf weiteres gesperrt.

Der Iran verbietet seinen Sportlerinnen und Sportlern den direkten Vergleich mit Israelis, das "Gesetz" gibt es seit der Islamischen Revolution 1979. Diverse Welt verbände haben sich aus diesem Grund jahrelang durchaus bemüht, direkte Duelle von Iranern und Israelis zu vermeiden. Zuletzt ist auch die FIDE im Schach von dieser Politik abgekommen, sie forderte den Iran auf, seine anti israelische Haltung zu überdenken. Wie der Judo-Weltverband legt die FIDE nicht von sich aus eine plötzliche Korrektheit an den Tag. Auch sie musste auf einen aktuellen Fall reagieren.

Rochade nach Frankreich

Der erst 16-jährige Alireza Firouzja ist schließlich eines der größten Schachtalente weltweit – nicht erst seit er kürzlich in Moskau hinter dem Norweger Magnus Carlsen sensationell WM-Zweiter im Schnellschach wurde. Firouzja war mit zwölf iranischer Meister, Großmeister darf er sich seit zwei Jahren nennen. Schon 2018, mit 15, war er Schnellschach-WM-Sechster. Im August des Vorjahrs überstieg seine Elo-Zahl erstmals 2700, diese Hürde hat er als zweitjüngster Spieler nach dem mittlerweile 20-jährigen Chinesen Wei Yi genommen.

Doch schon bei der WM vor drei Wochen in Moskau ist Firouzja nicht mehr unter iranischer Flagge angetreten. Er lebt seit Monaten in Frankreich, und es ist gut möglich, dass auch er demnächst für ein anderes Land antreten wird. Der iranische Parlamentarier Abdolkarim Hosseinzadeh hat deshalb ganz generell die Sportführung als "inkompetent" kritisiert. Die Funktionäre würden zulassen, dass dem Land "human capital" abhandenkomme.

Was die Taekwondo-Kämpferin Alizadeh angeht, so hatte der Iran gehofft, sie würde auch bei Olympia seinen Ruhm mehren. Daraus wird nichts. Alizadeh lebt in den Niederlanden, auf Instagram kritisiert sie, dass sie einen Hidschab tragen musste, und beschuldigt iranische Offizielle des Sexismus. In Tokio könnte man sie unter neutraler Flagge oder als Teil des Flüchtlingsteams sehen. (Fritz Neumann, 13.1.2020)