Fantasiereisen am Zahnarztstuhl lassen kleine Karies-Patienten den Bohrer vergessen. Wie das geht, sollten Zahnärztinnen und -ärzte, die Kinder behandeln, wissen.

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Wer Kind ist, mag Süßes. Das ist in der Natur so festgelegt. Und an sich gäbe es damit auch kein Problem, wäre da nicht das Überangebot an hochkalorischen Produkten, mit denen Kinder heute konfrontiert sind. Sie machen Kinder schnell dick, sie manipulieren Geschmacksnerven, sodass weniger Süßes gar nicht mehr schmackhaft erscheint, und sie führen zu Karies.

Eltern, die nicht sorgfältig auf die gesunde Ernährung und die Zahnpflege ihrer Kinder achten, werden eines Tages vielleicht feststellen, dass sich schwarze Stellen auf den Milchzähnen ihrer Sprösslinge gebildet haben. Warum das passiert? In der Mundhöhle leben sehr viele unterschiedliche Bakterien, die den Zucker aufnehmen, ihn verstoffwechseln und als Säure wieder ausscheiden. Und genau diese Säure greift auch den Zahnschmelz an. Wenn dieser Prozess lang genug andauert, entsteht Karies. Und dann bedeutet das: Ab zum Zahnarzt.

"Idealerweise kommen Eltern mit ihren Kindern nicht erst dann, wenn sich bereits Karies gebildet hat, sondern schon davor, einfach zur Kontrolle oder zur Mundhygiene", sagt Lydia Busenlechner, die sich auf die kleinen Patientinnen spezialisiert hat. Je aufgeschlossener und entspannter die Eltern, umso unproblematischer ist der Besuch in der Zahnarztordination, weiß sie. Denn insgesamt seien Kinder Neuem gegenüber durchaus aufgeschlossen und interessiert. Optimalerweise macht sich auch gleich ein Elternteil einen Termin aus, "dann ist ein Zahnarztbesuch ein gemeinsames Erlebnis, und die ganze Aufmerksamkeit liegt nicht allein beim Kind", so Busenlechner. Ein absolutes No-Go jedenfalls sei es, Kindern mit einem Zahnarztbesuch zu drohen, um sie damit vom Konsum von Süßigkeiten abzuhalten oder sie zum Zähneputzen zu animieren.

Fluoridhaltige Zahnpasta: Ja, bitte

Nach Schokolade den Mund auszuspülen und den Kindern Zähneputzen aktiv vorzuleben ist hingegen essenziell, weil Kinder notorische Nachahmer sind. So wie es die Eltern vormachen, wird es auch gelernt. Zahnpflege in der Kindheit ist vor allem auch deshalb so wichtig, weil die Zähne empfindlicher als bei Erwachsenen sind. Zahnärztin Busenlechner empfiehlt deshalb fluoridhaltige Zahnpasten, weil sie die Milchzähne widerstandsfähiger gegen die Säuren im Mund machen. Die Diskussion um fluoridfreie Zahnpasten hält sie für fahrlässig. "Zähne erneuern sich nach dem Zahnwechsel nicht mehr, da sollte man alles tun, um sie gesund zu halten", sagt sie.

Wenn die Karies erst einmal da ist, muss gebohrt werden. Bei Busenlechner bekommen Kinder eine Spezialbehandlung, konkret arbeiten sie und ihre Assistentinnen gerne mit der Konfusionstechnik, gemeint sind Ablenkungen aller Art. Sie erzählt lustige Geschichten, "füttert die Fantasie mit allerlei Bildern", wie sie sagt, weil das die Aufmerksamkeit weg von der Behandlung bringt. Und wenn gebohrt wird, dann nur mit vorheriger Betäubung. "Wir sagen dann, dass wir Marmelade in den Mund schmieren, damit der Zahn einschläft, das verstehen alle eigentlich immer ziemlich gut", kann Busenlechner berichten.

Große Fehler

Niemals würde sie zu den Kindern auf ihrem Zahnarztsessel sagen, dass "es nur kurz dauert und gar nicht wehtut", weil ängstliche Kinder diese Art von Verneinung gar nicht hören würden und das also kontraproduktiv wäre. Und klar gebe es ganz besonders ängstliche Kinder, aber die werden dann auch schon mal auf dem Schoß von Mutter oder Vaters behandelt, weil auch Körperkontakt beruhigend wirkt.

Viele ihrer kleinen Patientinnen und Patienten wollen übrigens am Ende einer Behandlung auf Busenlechners Stuhl sitzen und sich die Instrumente ansehen. "Zahnärztin ist ja wirklich ein sehr schöner Beruf", findet Lydia Busenlechner. (Karin Pollack, 19.1.2020)