Silvester bedeutet für (beinahe) jeden Vierbeiner: Marstheater. Krawall. Schlacht von Ypern! Florian Silbereisen!

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Der Übertritt ins Neue Jahr bildet für den Menschen wie auch für seinen ebenso streng wie vertraut riechenden besten Freund, den Hund, eine schwer zu bestehende Herausforderung. Beider Rutschspur ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Nur dass der Vierbeiner von der strikten Befolgung der seinigen (rapides Abspecken, mannhafter Verzicht auf den Genuss fangfrischer Pferdeäpfel) noch keinen Schimmer hat.

Beiden, Herrn und Hund, erscheint der kümmerliche Rest des Altjahres, etwa ab Zeitpunkt des unvermeidlich einsetzenden Florian-Silbereisen-Gesanges im Fernsehen, als ein Stück Mars-theater. Es herrscht Krieg. Der sonst traulich wispernde Wienerwald gleicht der Feuerhölle von Ypern. Die Einschläge rücken näher. Der erste Korken knallt. Im Fernsehen vertanzt Helene Fischer den Füsiliermarsch. Der Hund erbricht sich geräuschvoll.

Wir Babyboomer sind es gewohnt, unsere Hunde mit der erzieherischen Sorgfalt waschechter Liberaler zu behandeln. Ihren Anfang nahm die Emanzipation der Hunde wohl in der Ära Kreisky. Der mürrische Sonnenkönig besaß allerliebste Boxer, die ihren Sabber gerecht an die Hosenbeine wartender Journalisten verteilten. Den Meinungsmachern war zwar feucht zumute, aber sie strahlten vor Glück.

Keine Angst vor Kriegslärm

Die Silvesterknallerei schien den felligen Brüdern und Schwestern in diesen Inkubationsjahren des gesellschaftlichen Fortschritts wenig auszumachen. Kunststück: Ihrer kurzbeinigste glichen Kriegsheimkehrern. Auf ihrer Brust klimperten die unsichtbaren Orden von beinahe tausend Jahren. Auf Zuruf entblößten sie die gelben Gebisse unwandelbarer Treue. Die unerschrockensten hießen "Rolf" oder "Dolf". Hatte einer von ihnen tatsächlich einmal zugeschnappt, drehten sich die Besitzerinnen diskret um, als müssten sie vor Scham vergehen.

Einige dieser raubauzigen Lieblinge bildeten den Trost waschechter Witwen. Andere warfen die Stirn in Falten, so wie sie es beim Herrchen gelernt hatten. Manche Dachshunde verbissen sich vor lauter Empörung in die Glockenhosen friedliebender Weltverbesserer. Die radikalsten unter ihnen hätten vielleicht sogar die Friedrich-Peter-FPÖ gewählt. (Ronald Pohl, 15.1.2020)