Foto: Michaela Santbergen

Das Musikbusiness ist männlich dominiert. Das ist leidlich bekannt, hat Tradition, selbst wenn es sich langsam ändert. Sehr langsam. Entstanden, als das patriarchale System noch kaum hinterfragt wurde, galt, dass hinter jeder erfolgreichen Frau ein Mann stand – und die Hand aufhielt. Auch daran hat sich wenig geändert. Selbst große Selbstbestimmerinnen wie Madonna haben Manager und keine Managerin. Wenn in den Chefetagen die Verträge ausgehandelt werden, schickt selbst sie einen Mann. Pop umgibt zwar der Schein der Befreiungskultur, im Sein machen es sich aber meist Männer untereinander aus.

In Wien will eine Frau diesen wie in Stein gehauen wirkenden Usus zumindest ein wenig ändern. Anne Eck hat das Label Silvertree Records gegründet. Was die deutsche Autorin und Moderatorin Giulia Becker in ihrem vor drei Jahren vielbeachteten Song Verdammte Schei*e anprangerte, ist bei Silvertree Bedingung: Silvertree ist ein Label nur für Frauen. Geplant war das nicht.

Roter Faden

Eck gründete den Verlag ursprünglich, um ihre eigene Musik zu verlegen. Doch dann kamen Anfragen, daraus entstand die Idee, das Label für andere Frauen zu öffnen. Nicht um jemanden auszuschließen, wie die 32-Jährige im Gespräch betont. "Jedes Label hat einen roten Faden, bedient ein gewisses Genre. Bei mir ist der rote Faden aber kein Genre, sondern die Arbeit nur mit weiblichen Künstlerinnen oder Bands mit Frauen als Sängerinnen."

Bislang sind neben Eck selbst zwei Musikerinnen bei Silvertree: die Singer-Songwriterin Daniela Flickentanz und die Soul-Pop-Sängerin Maddy Rose.

Exklusive Frauenzirkel werden vornehmlich von männlicher Seite missmutig betrachtet. Als das Festival Nova Rock im Vorjahr einen Geländebereich als Schlafplatz nur für Frauen widmete, gingen die Wogen hoch. Der Vorwurf der "freiwilligen Ghettoisierung" zeigte, wie wenig Verständnis es dafür gibt, dass Frauen manchmal lieber unter sich sind.

Kein Ort der Unterdrückung

Auch Eck lässt ihn nicht gelten. "Das Wort Ghetto finde ich in diesem Zusammenhang nicht passend. Ghetto steht in einem sehr negativ besetzten Kontext. Als ein Ort der Unterdrückung, Armut und Perspektivlosigkeit, und das soll es in keiner Weise sein, und eigentlich passiert genau das Gegenteil."

Sie versucht, einen Ort zu schaffen, an dem Frauen sich und ihre Musik aufbauen können. "Ich finde, es ist wichtig, sich zu positionieren, und dabei kategorisiert man sich ja immer. Da ist man die Person, die vegan isst, die für den Umweltschutz steht, für Frauen … Wenn das heißt, dass man damit eine gewisse Bubble schafft, kann ich damit leben."

Ein Song aus dem Debüt der Labelchefin.
Anne Eck

Eck stammt aus Nürnberg. 2008 kam sie nach Wien und studierte Theater-, Medien- und Musikwissenschaft und hat vor zwei Jahren ihr Debüt-Minialbum Rise veröffentlich, heuer kommt das zweite Album.

Nix für ungut

Aus Erfahrungen mit DJ-Workshops exklusiv für Frauen weiß sie, dass Frauen mutiger sind, wenn keine Männer dabei sind. Diese würden tendenziell schneller vorpreschen und das hemme manche Frauen. Und ein Label, das nur Schlager veröffentlichen würde, sehe sich ja auch nicht mit dem Vorwurf konfrontiert, irgendjemanden zu diskriminieren.

Ein Rundruf unter weiblichen Kulturschaffenden – Regisseurinnen, Musikerinnen, Autorinnen – stützt diese Sicht. Der Kanon: Man versteht, dass Frauen oft lieber mit Frauen arbeiten wollen, weil man ihnen nicht erklären muss, was Frauen erleben, Männern hingegen schon. Und das, nix für ungut, hält vom Arbeiten ab. (Karl Fluch, 14.1.2020)