Am Petersplatz ziehen dunkle Wolken auf, wenn es um die Zölibatsdiskussion geht.

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So schrieb der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an seinen Gefährten Timotheus: "Deshalb soll der Bischof untadelig, Mann einer einzigen Frau, nüchtern, besonnen sein (...). Er muss seinem eigenen Haus gut vorstehen, seine Kinder in Gehorsam und allem Anstand erziehen" (revidierte Einheitsübersetzung der katholischen Bibel von 2016).

Die Textstelle wird gerne angeführt, wenn es darum geht, den Zölibat (Ehelosigkeit, sexuelle Enthaltsamkeit) für Priester der katholischen Kirche infrage zu stellen. Die Ironie dabei: der "Timotheusbrief" gilt in textkritischer Betrachtung als "pseudepigrafisch", also dem Apostel Paulus, dem bedeutendsten Verkünder des Urchristentums, fälschlich zugeschrieben. Tatsächlich kannte das Christentum bis ins Mittelalter den Zölibat als allgemeine Verpflichtung nicht, das ist (in der Westkirche) erst seit dem 11. Jahrhundert so.

Für die Einführung, die auf wütende Proteste stieß, gab es teils sehr praktische Gründe, heute wird er mit der Konzentration auf den ungeteilten Dienst an Gott gerechtfertigt. Der priesterliche Zölibat ist kein Dogma (ein Glaubenslehrsatz unter Berufung auf göttliche Autorität), sondern "nur" eine tausend Jahre alte kirchliche "Verfassungsbestimmung".

Kein Dogma

Die Sache wird nun wieder relevant, weil der "emeritierte" Papst Benedikt XVI. (92) gemeinsam mit einem ultrakonservativen Kardinal ein Buch ("Aus der Tiefe unserer Herzen") veröffentlicht hat, das den Zölibat als unverhandelbaren, unverrückbaren Zentralwert der Kirche darstellt und gegen jene polemisiert, die daran rühren wollen.

Das wurde als extrem brisanter Querschuss gegen den amtierenden Papst Franziskus empfunden, der zuletzt ganz vorsichtig dazu tendierte, in seelsorgerischen "Notstandsgebieten" wie etwa Amazonien verheiratete Männer als Priester zuzulassen. Die konservative "FAZ" sprach sogar von einem "Gegenpapst".

Inzwischen musste Benedikt aber seine Mitautorenschaft an dem Buch verleugnen, weil er sich von seinem Mitautor, Kardinal Roberto Sarah aus dem afrikanischen Guinea, hereingelegt fühlt. Sarah ist ein Mitglied der reaktionären Kamarilla im Vatikan, die schon seit einiger Zeit versucht, Papst Franziskus und seine vorsichtigen Reformversuche per Intrige zu desavouieren. Das ist ein ungeheurer Skandal, der auch (weiter) an der Autorität von Papst Franziskus nagt. In einer neuen Wendung hat Kardinal Sarah jedoch die Manipulation dementiert und ein einschlägiger Text im Buch stammt unzweifelhaft vom Papst. Damit ist auch Benedikt beschädigt.

Schwere Fehlentwicklungen

Der Zölibat wird für allerhand Probleme und schwere Fehlentwicklungen der Kirche verantwortlich gemacht. Für den Priestermangel ist er sicherlich auch verantwortlich – ob auch für den ziemlich massiven Kindesmissbrauch durch Priester, ist umstritten. In allen geschlossenen Institutionen mit Autoritätsverhältnissen kommt es zu Kindesmissbrauch, aber die relative Häufigkeit der (lange vertuschten) Übergriffe gerade unter Zölibatären weist in eine bestimmte Richtung.

Eine generelle Aufhebung des Zölibats brächte andere beträchtliche Probleme mit sich. Vor allem wäre dann die reale Frauenfeindlichkeit der katholischen Kirche nicht länger aufrechtzuerhalten. Aber wenn der Papst sogenannte "viri probati" (bewährte verheiratete Männer) als Priester in entlegenen Gegenden zulässt (bei den mit Rom unierten Ostkirchen sind sie jetzt schon erlaubt), dann ist schwer einzusehen, warum das ewig nur als eng umschriebene Ausnahme gelten soll.

hans.rauscher@derStandard.at

(Hans Rauscher, 14.1.2020)