Wien – Der handwerkliche Meister ist heute schon im Rang mit dem Bachelor gleichwertig. Die Regierung will ihn nun auch zu einem eintragungsfähigen Titel machen. Sie folgt damit einem Vorschlag der Wirtschaftskammer, die damit das Image von Lehrberufen aufwerten will. Ist diese Maßnahme sinnvoll – oder verderben zu viele Meister den Kleister?

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Seit geraumer Zeit beklagen Handwerk und Gewerbe hierzulande einen Mangel an Fachkräften. Ein denkbar einfaches Mittel, um dem wenigstens ein bisschen entgegenzuwirken, findet sich auf Seite 301 des türkis-grünen Regierungsprogramms. "Meister aufwerten" steht dort als Arbeitspunkt, "eintragungsfähigen Titel für offizielle Dokumente schaffen" gleich darunter. Konkret heißt dies: Wer seine Lehre mit einer erfolgreichen Meisterprüfung krönt, darf dies womöglich schon bald in all seinen Dokumenten kundtun. "Mst." hat die österreichische Wirtschaftskammer (WKO) als Kürzel für den neuen Titel vorgeschlagen.

Der Titel soll dem Namen vorangestellt werden und die Qualifikation des Meisters sichtbar machen. "Es geht um eine Imageaufwertung", sagt Reinhard Kainz, der die WKO-Sparte Gewerbe und Handwerk führt. Die Lehre sei ein Bildungsweg, der in der allgemeinen Wahrnehmung zu Unrecht weniger wert sei als der akademische Weg. Besseres Image, mehr Nachwuchs in Handwerk und Gewerbe, so hofft man bei der WKO.

Dabei ist der Meister bereits seit einiger Zeit dem Bachelor gleichgestellt. Im Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) werden der niedrigste akademische Titel und der höchste Handwerkstitel auf Qualifikationsstufe sechs von acht gereiht – Master und Ph.D. liegen auf den höheren Stufen. Während es seit jeher Usus ist, akademische Titel im Namen zu führen, ist dieses Recht Handwerksmeistern bisher verwehrt. Insofern scheint es nur folgerichtig, wenn künftig nicht nur der akademische Teil der Menschen mit höherer Ausbildung Titel führen darf.

Gleichwertig, nicht gleichartig

Wenn Meister künftig einen eintragungsfähigen Titel bekommen, bedeutet das nicht, dass Handwerker praktisch per Überholspur zu Akademikern gemacht werden. So qualifiziert sich ein Bäcker auch weiterhin nicht für einen Master oder ein Doktoratsstudium, wenn er Meister seines Berufs wird.

Auf welchem Niveau ein Abschluss im NQR geführt wird, hängt nicht davon ab, wie lange eine Ausbildung dauert. Es hängt auch nicht bloß vom Umfang des Fachwissens ab, das für den Titel vorausgesetzt wird. Deshalb führt auch die Kritik ins Leere, dass es unfair sei, wenn Meister quasi in kürzerer Zeit einen gleichwertigen Titel erwerben können wie Bachelor-Absolventen. Berücksichtigt werden auch die Fähigkeiten, das Wissen anzuwenden, und der Grad der Eigenverantwortung, die durch einen Abschluss erworben wird. Meister und Bachelor sind "gleichwertig", heißt es im NQR, und nicht "gleichartig". Dies würde freilich auch für einen aufgewerteten Meistertitel gelten, wie er der Regierung vorschwebt. "Master Professional" soll dieser heißen und auf gleicher Stufe mit dem Master stehen. Allerdings gibt es hierfür noch keine konkreten Pläne.

Sehr viel schneller dürfte es beim eintragungsfähigen Titel für herkömmliche Meister gehen: "Man muss dafür nur ein einziges Wort im Passgesetz ändern", so Kainz. Worauf noch warten? (Aloysius Widmann, MA, M.Sc., 14.1.2019)

Wider

Seit geraumer Zeit lautet das geflügelte Wort am österreichischen Arbeitsmarkt Fachkräftemangel. Ende vergangenen Jahres wurde die Mangelberufsliste ausgeweitet. So viel ist klar: Es besteht Handlungsbedarf. Österreich wäre aber nicht Österreich, wenn man es ohne österreichische Lösung versuchen würde. Der Meistertitel soll aufgewertet und zum Namenstitel gemacht werden. Dieser Schritt wird die Republik zweifelsohne nicht in ihren Grundfesten erschüttern, für betroffene Meisterinnen und Meister ist er sogar sehr nett. Das ist es dann aber auch: "Eh nett".

Am eigentlichen Problem wird das nichts ändern. Die Bezahlung steigt nicht, Arbeitsbedingungen verändern sich nicht, und die Aussicht, einen Titel in offizielle Dokumente eintragen zu können, wird die Motivation junger Menschen nicht steigern, einen Lehrberuf zu ergreifen. Was es braucht, ist eine Imagepolitur in Sachen Lehrberufe, das setzt ein gesamtgesellschaftliches Umdenken voraus. Unwahrscheinlich, dass ein Titel dieses herbeiführt. Um diese Hürden zu meistern, müssen sowohl Regierung als auch Arbeitgeber an einem Strang ziehen.

Überdies wirft das Vorhaben regulatorische Fragen auf. Mit dem Bachelor wurde der Meistertitel bereits 2016 gleichgestellt, was der Stufe sechs von acht des Nationalen Qualifikationsrahmens entspricht. Angestrebt wird die Aufwertung auf Stufe sieben – also die Gleichstellung mit dem Master-Abschluss. "Master Professional" soll man sich dann nennen dürfen. Dafür muss aber auch die Meisterprüfungsordnung geändert werden und hierfür fehlt es noch an Konkretem.

Unübersichtliche Titellandschaft

Der ohnehin kaum zu überblickenden heimischen Titellandschaft steht also ein weiterer Ausbau bevor. Noch dazu einer, der ein sprachliches Problem aufwirft. Meister und Master klingen sehr ähnlich. Master und Master Professional zu verwechseln ist praktisch vorprogrammiert.

Ein gewisses Konfusionspotenzial ortet auch die Generalsekretärin der Österreichischen Universitätenkonferenz, Elisabeth Fiorioli: "Wichtig ist, dass hinter einem akademischen Grad eine akademische Ausbildung steht. Eine andere Ausbildung mit einem akademischen Label zu versehen wäre unangemessen." Dieser Master Professional sei noch nicht im Detail formuliert, deshalb sei man noch skeptisch gegenüber diesem Vorhaben. "Ein Meister ist ohnehin hoch angesehen, diese Änderung führt eher zu Verwirrungen bezüglich der tatsächlichen Qualifikationen", sagt Fiorioli.

Einen Meistertitel mit einem akademischen gleichzusetzen eröffnet darüber hinaus nicht die Möglichkeit, ein Doktorats- oder Ph.D.-Studium zu absolvieren. Warum also die Dinge unnötig bürokratisch verkomplizieren? Das Ziel der Aufwertung ist löblich und wohl auch notwendig. Es sollte allerdings in einer Form passieren, die tatsächlich zum Ziel führt und nicht ein Geplänkel um Bezeichnungen und Machtkämpfe zwischen Akademikern und Handwerkern nach sich zieht. (Andreas Danzer, LL.M, 14.1.2019)