Im Streit um die Justizreform in Polen sieht die EU-Kommission den EuGH am Zug.

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Brüssel/Luxemburg/Warschau – Im Streit um die Justizreform in Polen fordert die Europäische Kommission den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu einer einstweiligen Verfügung auf. Der EuGH solle die polnische Regierung damit veranlassen, die Arbeit der Disziplinarkammer am Obersten Gericht Polens auszusetzen, teilte EU-Justizkommissar Didier Reynders mit.

Den Beschluss habe das Kommissionskollegium bei seiner Sitzung in Straßburg am Dienstag getroffen. Am Samstag hatten in Warschau Tausende Richter, Juristen und andere Bürger gegen Gesetzespläne der dortigen Regierung protestiert, die die Unabhängigkeit polnischer Richter weiter einschränken könnten. Die Richtervereinigung Iustitia befürchtet eine "Disziplinierung" der Richterschaft. Das vom Parlament noch nicht endgültig beschlossene Gesetz soll nach Ansicht der Gegner dazu dienen, Richter zu bestrafen, die sich kritisch über die Justizreformen der rechtskonservativen Regierung äußern. Das Gesetzesvorhaben stehe damit in Widerspruch zu den Grundsätzen der Europäischen Union.

Angespanntes Verhältnis

EU-Kommissar Nicolas Schmit sagte in einer Pressekonferenz nach der Kommissionssitzung, die verlangten "einstweiligen Maßnahmen" hingen mit dem Vertragsverletzungsverfahren zusammen, das die Brüsseler Behörde zu den Disziplinierungsregeln für polnische Richter in Gang gesetzt hatte. "Wir bleiben offen für einen konstruktiven Dialog mit Polen auf der Grundlage von Fairness und Respekt", ergänzte Justizkommissar Reynders auf Twitter.

Normalerweise äußert die EU-Kommission sich zu Gesetzesvorhaben in diesem Stadium nicht. Allerdings ist das Verhältnis zwischen Brüssel und Warschau schon länger angespannt. Seitdem die polnische Regierungspartei PiS seit 2015 immer neue Justizreformen einleitet, äußerte Brüssel wiederholt Bedenken. Mehrfach hat die Behörde vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt sowie ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge eingeleitet, das Polen theoretisch sein Stimmrecht im Kreis der EU-Länder kosten könnte. (APA, 14.1.2020)