Beginnen wir mit etwas Grundsätzlichem: "Sammeln heißt meiner Meinung nach, mehr als ein Stück zu haben. Eines allein ist noch keine Sammlung. Bei zwei kann man schon diskutieren." Wir sind zu Gast im Fahrzeug-und-Technik-Zentrum des Dorotheums in Vösendorf bei Hausherr Wolfgang Humer, ein Mann von stupendem Wissen und präziser Beobachtungsgabe, beides gehört zum Beruf, was sich schließlich von Berufung herleitet. Grund der Visite: Humer hat umfangreiche Erfahrungen mit Sammlern und uns neugierig gemacht auf Art und Vielfalt der dabei beobachteten Charaktere. Es geht um Typenlehre, Psychogramme, und weil Auktionshaus – dort können sich Sammler auf vielfache Art verwirklichen: Kunst, Möbel, Bücher etc. – wollen wir wissen, ob es bei den Profilen Überschneidungen gibt. "Die gibt es. Wenn ich meine Kunden anschaue, da habe ich sowohl welche, die Uhren sammeln, Alte Meister. Einer davon sammelt Brueghel-Bilder, ein anderer zeitgenössische Kunst. Ein interessanter Aspekt ist also: Die Sammelleidenschaft hört nicht bei einem Thema auf. Wobei es natürlich den entsprechenden finanziellen Hintergrund dazu braucht."

Humer trifft Legende – der Jaguar S.S.100 wurde von 1935 bis 1940 gebaut und ist ganz klar ein Objekt weltweiter Sammlerbegierde.
Foto: Der Standard

Auf die Dosis komme es an, ob Gift oder Medizin, meinte Paracelsus – übertragen auf Sammlertätigkeit: Wo endet das "normale" Verhalten, wo häufen sich die Anzeichen von Sucht, Manie? Prinzipiell, hat Humer beobachtet, gebe es in Österreich Leute mit kleinen Sammlungen von fünf bis zehn Autos – und dann solche mit 400 aufwärts. "Da merkt man dann schon gewisse Unterschiede in der Motivation, um nicht zu sagen: im pathologischen Erscheinungsbild." Manche hätten auch die Idee, einmal ein Museum damit zu machen – umgesetzt werde das jedoch in den seltensten Fällen.

Bewegung

Sammlertätigkeit lässt sich weder an Alter noch Gesellschaftsschicht festmachen, aber, wie gesagt, billig ist die Oldtimerei nicht. Zumal der Einstieg schwieriger geworden ist, die Preise sind in den vergangenen Jahren gestiegen, das hält finanziell schwach ausstaffierten Nachwuchs fern. Auffällig dabei auch die Beobachtung, dass die Szene zwar männerlastig ist, doch es kommt Bewegung rein. Humer: "Wenn man unsere Veranstaltungen ansieht, merkt man, dass mittlerweile auch viele Frauen dabei sind. Oft als ,Beifahrerin‘, aber das Hobby, das Thema Oldtimer hat sich eindeutig dem weiblichen Geschlecht angenähert, die Faszination springt über." Zu beobachten sei allerdings auch ein bremsender Faktor, er kenne den einen oder anderen Sammler, wo die Frau nicht von allen Autos wisse ...

Damit wären wir wieder beim Jäger und Sammler, bei der Vielfalt der Motive, der Triebkräfte. Menschen, die eher zufällig dazu kommen, solche, die von vornherein Leidenschaft für Technik mitbringen, museal Veranlagte, Öffentlichkeit Scheuende (oft Unternehmer, die solide Sammlungen anlegen, aber nicht wollen, dass dies publik wird) und nach Publicity Trachtende, in Autonationen Denkende, (vermeintlich) wahllose Chaoten, planvolle Systematiker, Maniker und eben auch Spekulanten und Wertanleger. Humer zu Letzteren: "Klar hat es einige gegeben, die versucht haben, Geld zu machen. Die würde ich aber nicht als Sammler bezeichnen, und sie werden wieder deutlich weniger, weil der Boom vorbei ist. Beim Sammeln steht der Besitz im Vordergrund, und da gibt es unterschiedlichste Motive, bei manchen hat man auch das Gefühl, es geht nur um den Kick des Kaufens." Sammlermanie? "Richtig. Das Spielzeug von vorgestern ist schon fade, das nächste muss her."

Gefechte

Dann gebe es auch Situationen, wo sich bei Auktionen zwei ein erbittertes Bietergefecht liefern – "und danach stellt sich heraus, dass das beste Freunde sind". Oder auch die Beobachtung eines Generationenwechsels. Jene Sammler, die nach dem Krieg zu sammeln begonnen und mit diesen Autos aufgewachsen sind, sterben weg. Für die jetzige Generation sind diese Objekte aber längst historisch. Damit kommt weiter Bewegung in die Szene, Humer: "Bin gespannt, was da alles auftaucht. Irgendwer hat einmal gesagt: Sammlungen überleben maximal zwei, drei Generationen. Dann ist der Bezug zum Sammlungsgründer weg."

Humer selbst ist stets besonders an der Historie interessiert, daran, welche Geschichte ein Auto erzählt, die Menschen, die dahinterstehen. Ticken viele Sammler so? "Manche, aber nicht viele." Beim Obenerwähnten mit den über 400 Autos etwa sei das so. Und was ist mit Motorsport? "Es gibt in Österreich ein paar bedeutende Sammlungen mit so einem Schwerpunkt. Hochkarätige, von denen kaum wer weiß. Erstaunlich, was in dem kleinen Land unterwegs ist, oft das Beste vom Besten." Da wäre er wieder, der anonyme Sammler. Mit Privatmuseum. Ein Typ – unter vielen. (Andreas Stockinger, 01.02.2020)