Heute fristet Thuban eine eher unauffällige Existenz am Himmel. Doch das war mal anders – und wird auch wieder anders sein.
Foto: NASA/MIT/TESS

Etwas über 400 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild des Kleinen Bären (oder Kleinen Wagens) befindet sich der Stern Alpha Ursae Minoris – besser bekannt als "der Polarstern". Er hat aufgrund der Kombination von Nähe und Größe eine hohe scheinbare Helligkeit und steht dem Nordpol des Himmels so nahe, dass wir uns daran gewöhnt haben, uns von ihm anzeigen zu lassen, in welcher Richtung Norden liegt.

Das Amt des Polarsterns ist allerdings ein zeitlich befristetes, da die Erdachse eine Kreiselbewegung ausführt, die im Verlauf von etwa 25.700 Jahren verschiedene Sterne in Polnähe rücken lässt – das prominenteste Mitglied in diesem Reigen ist die riesige Wega. Alpha Ursae Minoris wird zu Beginn des nächsten Jahrhunderts seine größte Polnähe erreichen, um sich dann sukzessive wieder vom Himmelspol zu entfernen und seine Rolle als Orientierungshilfe zu verlieren. Der nur 46 Lichtjahre entfernte Gamma Cephei ist sein designierter Nachfolger.

Der Polarstern der Pharaonen

Vor Alpha Ursae Minoris gab es andere Polarsterne. Einer davon, der etwa 270 Lichtjahre entfernte Thuban im Sternbild des Drachen, spielte seine Rolle vom 4. bis 2. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, während der Blütezeit des Alten Ägyptens. Und dieser mit freiem Auge sichtbare Stern, auch Alpha Draconis genannt, hat Astronomen nun eine Überraschung beschert: Der Ex-Polarstern scheint sich nämlich in regelmäßigen Abständen zu verfinstern, weil er teilweise von einem vorüberziehenden Partner verdeckt wird.

Thuban, etwa 4,3-mal heller und 70 Prozent heißer als die Sonne, hat einen vergleichsweise blassen Partner von etwa halber Größe. Diese beiden Sterne umkreisen einander innerhalb von 51 Tagen in einem Abstand, der kaum größer ist als der zwischen Sonne und Merkur. So weit hatte man das Doppelsystem bereits rekonstruieren können – dass es auch zu regelmäßigen Sternenfinsternissen kommt, war bislang aber niemandem aufgefallen. Erst die Auswertung von Daten des Weltraumteleskops TESS ("Transiting Exoplanet Survey Satellite") bestätigte den Vorgang.

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"Die erste Frage, die einem dazu einfällt, lautet: Wie konnten wir das übersehen?", fasste Angela Kochoska von der Villanova University im US-Bundesstaat Pennsylvania die Entdeckung zusammen. Möglicherweise wurden die Eklipsen deshalb nicht bemerkt, weil sie jeweils nur sechs Stunden andauern. Außerdem sind sie nicht vollständig, da wir in das Draconis-System um ein paar Grad versetzt einblicken. Die Helligkeitsschwankungen sind daher nicht so groß, als würde einer der Sterne "von der Seite her" vollständig verdeckt.

In der Warteschleife

Und während der Tanz der beiden Sterne anhält, kreiselt auch die Erdachse weiter und wird Thuban letztlich wieder in seine alte Funktion zurückholen. In etwas mehr als 18.000 Jahren wird er wieder den Polarstern geben – wer auch immer ihn dann am Himmel sehen mag. (jdo, 15. 1. 2020)