Früh übt sich, was ein Meistersänger mit Sex-Appeal werden will.
Foto: Richard Hahnloser, ETH/UZH

Zürich – Männliche Zebrafinken (Taeniopygia guttata) beginnen im Alter von etwa 40 Tagen, den Gesang ausgewachsener Finken nachzuahmen, um später Weibchen anzulocken. Diesen Balzgesang üben sie viele tausend Mal am Tag, wie Schweizer Forscher berichten. Manche glücken, andere gehen daneben. Sie behalten aber nur die Fortschritte gelungener Versuche im Schlaf – die misslungenen Gesänge stagnieren.

Lernkurven

Sepp Kollmorgen, Richard Hahnloser und Valerio Mante von der ETH Zürich nutzten einen Algorithmus, um die unzähligen Veränderungen während des Lernprozesses auf einfache Lernkurven zu reduzieren. Durch diese Analyse zeigte sich, dass guter und schlechter Gesang unterschiedliche Entwicklungen nehmen.

Die besten Lieder verbesserten sich während eines Tages langsam, aber stetig und veränderten sich über Nacht nicht. Am nächsten Morgen konnten die Jungvögel wieder daran anknüpfen. Anders jedoch bei den schlechten Liedern: Diese verbesserten sich während des Tages zwar schnell, jedoch vergaßen die Vögel die meisten Fortschritte über Nacht wieder.

Zudem konnten die Wissenschafter zeigen, dass die Zebrafinken im Schlaf die meisten Veränderungen wieder vergaßen, wenn sie nichts mit dem zu tun hatten, was der Vogel zu singen versuchte. "Die Vögel scheinen unglaublich effizient zu sein", sagt Mante. "Dank des Schlafes erinnern sie sich an die positiven Dinge, die sie tagsüber gelernt haben, und vergessen den unwichtigen Rest."

Bedeutung für den Menschen

Mit ihren Untersuchungen wollen die Forscher ein besseres Verständnis dafür gewinnen, wie Lernen im Gehirn abläuft. "Wir vermuten, dass die Prozesse, die beim Lernen im Gehirn der Vögel aktiv sind, beim Menschen etwa analog ablaufen", sagt Hahnloser.

Wenn man besser verstünde, warum es so schwer ist, sich an Verbesserungen weniger gelungener Abläufe zu erinnern, ließen sich effizientere Trainingspläne in der Rehabilitation für Schlaganfall- oder Unfallopfer erstellen, hoffen die Forscher. Letztlich wäre sogar denkbar, direkt auf bestimmte Hirnareale zuzugreifen, um den Lernprozess zu stimulieren. (red, APA, 22. 1. 2020)