Die "Affenfrau" von Marco Ferreri – zurzeit im Filmmuseum zu sehen.

Foto: Filmmuseum

In der Küche eines Nonnenklosters entdeckt der neapolitanische Lebenskünstler Antonio Focaccia eine Frau, die sich als ein "Phänomen" erweist: Maria hat einen Damenbart, und zwar nicht einfach auf der Oberlippe, wie das manchmal vorkommt, sondern überall dort, wo männliche Draufgänger es gerade in den Sixties gern einmal ein wenig wuchern ließen. Maria ist insgesamt so stark behaart, dass Antonio eine geschäftliche Chance erkennt. Er vermarktet sie als La donna scimmia, als Affenfrau.

So heißt der Film von Marco Ferreri aus dem Jahr 1964, eine großartige Satire auf den italienischen Katholizismus und seine Fantasien von einem Naturzustand vor der Erbsünde. Maria wird als "fenomeno" einem Wissenschafter vorgeführt, der nichts anderes im Sinn hat, als sie auszuziehen, "per la scienza" natürlich.

Das Österreichische Filmmuseum zeigt in den kommenden Wochen bis Ende Februar die Filme von Marco Ferreri gemeinsam mit denen der Französin Catherine Breillat und bietet dafür den Begriff Skandalfilme als zusammenfassende Rubrik an.

"Das große Fressen"

Tatsächlich gibt es, bei allen Unterschieden, noch weitere Gemeinsamkeiten zwischen dem Regisseur von Das große Fressen (1973) und der Regisseurin von Romance (1999). In beiden Fällen kann man von einem radikal erotisierten Weltbezug sprechen, der bevorzugt durch das sexuelle Begehren geprägt ist. Breillat ging in Romance so weit, dass sie ihrer weiblichen Hauptfigur, der Lehrerin Marie, einen bekannten Pornostar an die Seite stellte. In Gestalt von Rocco Siffredi traf dabei eine abgespaltene Form des Kinos auf eine "legitime".

Breillat hatte aber von Beginn an in ihrer Karriere die Grenzen des statthaften Blicks überschritten: In Une jeune vraie fille (Ein wirklich junges Mädchen, 1976 entstanden, bis 1999 unter Verschluss) erzählte sie von den Sommerferien eines Teenagers ohne Scheu vor expliziten Bildern. Wobei bei der Szene, in der ein Provinzschönling einen Regenwurm in die Scheide von Alice einzuführen versucht, unklar bleibt, ob da der offene Blick auf das weibliche Geschlecht anstößiger ist als das zeichenhafte Bild für jungmännliche Impotenz.

Neue Wellen

Breillat hat das Kino auf jeden Fall dadurch bereichert, dass sie weibliche Sexualität immer wieder auf eine Weise ins Bild setzte, die von einer voyeuristisch-männlichen Perspektive nicht leicht zu unterscheiden war. Sie brachte aber gerade damit die Geschlechterlogiken durcheinander.

Ferreri, fast eine Generation älter, ist im Vergleich zu Breillat eher Kulturtheoretiker. Er kommt auch aus der Hochphase des europäischen Nachkriegskinos, war unter den Verfechtern diverser Neuer Wellen aber meist verpönt. Der Welterfolg mit den kalkulierten Exzessen in Das große Fressen hat sein Werk immer überschattet. Die Nähe des Menschen zum Tier hat ihn oft beschäftigt, in Ciao maschio (Affentraum, 1978) spielt Gérard Depardieu einen Vertreter der Krone der Schöpfung, dem gerade alle Zacken aus dieser Krone geschlagen werden. Und in Chiedo Asilo ( Mein Asyl, 1979) wird ein Esel zum Sinnbild des Unbehagens in der Kultur.

Western in einer Baustelle

Höhepunkt seines Werks ist vielleicht der Konzeptwestern Touche pas à la femme blanche (Berühre nicht die weiße Frau, 1974), gedreht in der Baugrube, aus der das heutige Umsteigelabyrinth der Pariser Metro-Stationen Chatelet-Les Halles wurde. Ferreri nützte die damalige Leerstelle im Stadtbild, um in einer Form von kühner Abstraktion die Niederlage von General Custer gegen die amerikanischen Sioux-Ureinwohner zu reinszenieren.

Catherine Deneuve spielt die Bankierstochter aus Boston, Marie Helene Mademoiselle de Boismonfrais, einen "Engel in Weiß", an dem Ferreri die post- und neokolonialen "Miserablen" dieser Erde zuschanden gehen lässt. Einen politisch radikaleren Film hat er nicht gedreht, wohl aber viele andere, in denen er – wie Catherine Breillat – das Label Skandalfilm im besten Sinn produktiv machte. (Bert Rebhandl, 15.1.2020)