Eine Woche nach dem Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine nahe der iranischen Hauptstadt Teheran hat der Iran erstmals zugegeben, über die Vorgänge die Unwahrheit gesagt zu haben. Der iranische Außenminister Javad Zarif erklärte bei einem Besuch in Indien, die seit Tagen in Teheran demonstrierenden Menschen würden protestieren, weil sie belogen wurden.

Zarif sagte weiter, Präsident Hassan Rohani und er hätten erst am Freitag die Wahrheit herausgefunden. Die für den Abschuss verantwortlichen Revolutionsgarden hätten jedoch sofort Bescheid gewusst. Gleichzeitig schob Zarif den USA die Schuld zu: Der "unverzeihliche Fehler" sei passiert, "weil es eine Krise gab".

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Javad Zarif will selbst erst mit zwei Tagen Verspätung die Wahrheit herausgefunden haben.
Foto: AP/Swarup

"Technische Probleme"

In der Nacht vor dem Abschuss hatte der Iran als Rache für die Tötung des Generals Ghassem Soleimani Anfang Jänner Militärbasen im Irak angriffen und aus Angst vor einer Bestrafung durch die USA die Luftabwehr in Alarmbereitschaft versetzt, ohne jedoch den Luftraum für Passagierflugzeuge zu sperren. Direkt nach dem Abschuss hatten offizielle Vertreter des Iran "technische Probleme" für den Absturz verantwortlich gemacht. Nachdem sich die Hinweise auf einen Abschuss durch Boden-Luft-Raketen verdichtet hatten, wurde dies gar als "wissenschaftlich unmöglich" bezeichnet. Alle 176 Insassen der Maschine – darunter viele Iraner – kamen ums Leben.

Ein neu aufgetauchtes Video einer Überwachungskamera zeigt, wie das Flugzeug nacheinander von zwei Raketen getroffen wird und brennend abstürzt. Am Mittwoch forderte die Ukraine von Teheran die Herausgabe der Flugschreiber. Da eine iranische Reaktion ausblieb, stellte Kiew eine zweite Anfrage.

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Auch im Konflikt um den Atomdeal zeigt sich Teheran wenig kooperativ. Am Dienstag hatten Paris, Berlin und London den im Atomabkommen JCPOA vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismus aktiviert, um den Deal noch zu retten. Rohani warnte in einer Reaktion, "falsche Schritte" würden den Europäern nur schaden. Schon heute seien US-Truppen in der Region in Gefahr, morgen könnten auch die Europäer in Gefahr sein, drohte der Präsident.

"Hurensohn" Soleimani

US-Präsident Donald Trump erklärte unterdessen bei einer Rede in Wisconsin, Soleimani hätte schon vor zwanzig Jahren getötet werden sollen. Viele Menschen hätten unter der von ihm verursachten Gewalt gelitten, hunderte hätten bei Bombenanschlägen wegen dieses "Hurensohnes" Gliedmaßen verloren, erklärte er in Milwaukee. In einer TV-Debatte kritisierten die Präsidentschaftsbewerber der Demokraten Trump für die Begründung des Angriffs auf Soleimani. Joe Biden warf ihm vor, gelogen zu haben, Bernie Sanders warnte vor einem Krieg.

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Donald Trump rechtfertigte bei einer Rede in Wisconsin den Angriff auf General Soleimani. Dieser habe viel Leid verursacht.
Foto: AP / Jeffrey Phelps

Londons Botschafter im Iran hat unterdessen der Agentur Irna zufolge das Land verlassen. Rob Macaire war am Samstag festgenommen worden, weil er ein Gedenken für die Opfer des Flugzeugabschusses besucht hatte. Irans Justiz forderte seine Ausweisung. London zufolge war Macaires Reise lange geplant, ebenso seine Rückkehr in den Iran.

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Am Dienstag verbrannte Regimeanhänger einen überlebensgroßen Pappaufsteller mit dem Bild des Botschafters Rob Macaire.
Foto: AP/Salemi

(Michael Vosatka, 15.1.2020)