Argumente gegen Klarnamenpflicht: Sascha Lobo.

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Der deutsche Digital-Autor und Strategieberater Sascha Lobo analysiert auf spiegel.de sehr pointiert, was er von einer Klarnamenpflicht für Internetbeiträge hält. Der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich zuletzt für ein solches Klarnamengebot ausgesprochen. Für Lobo basiert eine solche Pflicht auf Aberglauben, sie sei für viele sogar gefährlich.

"Impfgegner des Internets"

Die Forderung nach Klarnamen entspringe meist aus ernsthafter Sorge um andere Menschen, räumt Lobo ein. Sie sitze aber "einem schwierigen Irrtum auf. Sie hoffen, das reale Problem der Hassrede im Netz, der digitalen Bedrohung, der extremistischen Bedrohungen sei mit einer Klarnamenpflicht in den Griff zu bekommen." Das sei "Aberglaube", Lobo vergleicht Anhänger von Klarnamen mit Impfgegnern.

Lobo erinnert an Beobachtungen, dass etwa "über 10.000 Leute auf Facebook, die meisten unter Klarnamen, die Wiedereröffnung eines KZ fordern. Wie Kindern eine Massenvergewaltigung gewünscht wird – unter Klarnamen. Wie klar benamte Rassisten sich ganz offen über den Tod von Flüchtlingen freuen. Wie schwarze, braune, jüdische oder behinderte Menschen, Transpersonen, Homosexuelle, Frauen und eigentlich alle außer knallweiße Krachmänner bedrängt, beleidigt, bedroht werden von Leuten, die sich einen gequirlten Quark um ihre Identifizierbarkeit kümmern."

Tatsächliche Strafverfolgung

Strafbare Handlungen müssten tatsächlich verfolgt werden, erklärt der Publizist und Berater. Das sei aber häufig trotz Identifizierbarkeit nicht der Fall. Lobo führt das auf Überlastung und mangelnde Sachkunde oder "zynische Gesamteinstellung" von Behörden zurück.

Die neue österreichische Regierung von ÖVP und Grünen kündigt in ihrem Programm Maßnahmen gegen Hass im Netz an, etwa "wirksame Beschwerdeverfahren", gebündelte Ressourcen bei der Staatsanwaltschaft, Ermittlungspflicht der Strafverfolgungsbehörden bei bestimmten Privatanklagedelikten an.

In der Koalition mit der FPÖ schickte die ÖVP noch einen Entwurf zur Identifizierungspflicht für Foren bei den Betreibern in Begutachtung. Eine Registrierungspflicht soll nun in der neuen Koalition nicht kommen. Nun ist eine "Individualisierungspflicht" Thema – mehr hier.

Schutzinstrumente

"Die Klarnamenpflicht ist gefährlich, weil Anonymität und Pseudonymität im Netz in erster Linie Schutzinstrumente sind. Insbesondere ohnehin angreifbare und marginalisierte Menschengruppen würden gefährdet", schreibt Lobo in seiner "Spiegel"-Kolumne.

Lobo verweist auf die (vielzitierten) Erfahrungen in Südkorea (2007 bis 2011) mit einer Identifizierungspflicht, die nicht wirklich gegen "missbräuchliche Kommentare" half. "Ein Klarnamennetz wäre ein Paradies für Stalker, Mobber und Todeslistenfans", schreibt er, eine "radikalere Form der autoritären Staatskontrolle" wie in China. Lobo verweist auf Identitätsdiebstahl, Kontrollmöglichkeiten, Schutz von Minderjährigen und Whistleblowern und fragt, ob Opfer von Cybermobbing sich dann für immer aus dem Netz zurückziehen müssten. (red, 16.1.2020)