Die Künstlerin Maria Köfler wohnt direkt neben dem Innsbrucker Bischof. Zu Beginn war das Haus ein Krankenhaus, sagt sie, dann ein Foltergefängnis, und nun hängen bei ihrem Nachbarn Ikonen an der Wand.

"Vor knapp zwei Jahren habe ich erfahren, dass hier am Domplatz eine Wohnung frei geworden ist. Nach der Besichtigung habe ich mich ein bisschen in die Geschichte des Hauses eingelesen. Das Haus liegt direkt neben dem Bischofsitz, war zu Beginn ein Spital, ein sogenanntes Kräuterhaus, und wurde später in ein Gefängnis umgebaut. Als solches war es laut Aufzeichnung aber wenig geeignet, denn die Schreie der Gefolterten störten die heilige Messe und die Gebete der Priester.

Aufwachen mit Blick auf die Nordkette: Maria Köfler in ihrem Schlaf- und Arbeitszimmer.
Fotos: Günter Richard Wett

Als ich mit meiner Tochter und unserem mittlerweile im Käfig verunglückten Zwerghamster eingezogen bin, hat jemand mit dem Weihrauch gerade das Stiegenhaus beweihräuchert. Direkt auf der anderen Seite der Feuermauer, also genau hinter mir, liegt die Wohnung des Bischofs.

Mit der durchwachsenen Vergangenheit und der irgendwie auch exotischen Gegenwart, die hier am Domplatz präsent ist, habe ich mich schon gefragt, wie das Wohnen und Leben hier werden würde. Aber wir haben echt großartige Nachbarn! Manche wohnen hier mit Ikonen, andere sind wandelnde Lexika, und außerdem wohnt hier eine syrische Flüchtlingsfamilie, die meiner Tochter ab und zu einen Crash-Sprachkurs in Syrisch gibt! Das passt gut, denn ich war früher mal mit einem Syrer verheiratet, mit dem ich auch meine Tochter Clara bekommen habe, war damals schwer verliebt und bin jahrelang zwischen Wien, Innsbruck und Damaskus hin- und hergependelt. Damit ich mir die vielen Flüge leisten kann, habe ich damals sogar als Flugbegleiterin bei der AUA gearbeitet, aber das ist eine andere Geschichte.

Fotos: Günter Richard Wett

Die syrische Familie im Haus jedenfalls ist wie eine Erinnerung an damals. Ach ja, über uns befindet sich ein denkmalgeschützter Dachboden, auf dem noch die alten Eisenketten von damals um die Balken und Träme montiert sind.

Eigentlich unglaublich, wie viele unterschiedliche Welten und Wirklichkeiten in diesem Haus aufeinanderprallen. Die Wohnung hat 72 Quadratmeter mit Blick auf die Nordkette. Ich freu mich jeden Tag, in meinem Hochbett aufzuwachen und direkt auf den Inn und die Berge zu blicken. Aufgrund des Denkmalschutzes darf die Bausubstanz der Wohnung nicht verändert und die Wandoberfläche nicht übermalt werden, aber das ist ja absolut nachvollziehbar.

Toll ist die unmittelbare Gegend, denn der Domplatz ist wie ein kleines Dorf mitten in Innsbruck, in dem jeder jeden kennt. Meiner Tochter Clara gefällt das Leben in der Altstadt sehr, denn mit dem Domplatz liegt ihr der größte Spielplatz der Stadt zu Füßen! Aber dafür passiert es manchmal, dass man hin und wieder schwerer zur Haustür gelangt, da die Zone bei Radrennen, Marathons und anderen Veranstaltungen temporär abgesperrt wird.

Fotos: Günter Richard Wett

Ich wohne und arbeite hier, und nachdem es nur zwei Zimmer gibt, gehört ein Zimmer mir und das andere meiner Tochter. Das heißt: Wohnen, Schlafen, Kochen und künstlerisches Arbeiten überlagert sich bei mir in einem einzigen Raum.

Der einzig heikle Ort, der für alle tabu ist, ist mein Arbeitstisch. Ich arbeite oft monatelang an einer großformatigen Zeichnung, da darf echt niemand ran! Das ist ein heiliger Ort, der nur mir allein gehört. Das ist die strengste WG-Spielregel von allen!

Mal schauen, wie lange wir hier bleiben. Einerseits bin ich eine Nomadin, nie wirklich lang an einem Ort geblieben, andererseits ist diese Wohnung echt fein und befindet sich in einem der außergewöhnlichsten Häuser Innsbrucks – mit einer schönen orangen Gerbera am Tischchen vor mir. Ich bin vor dem Wohngespräch wie ein aufgescheuchtes Hendl in der Wohnung herumgelaufen, da hat mir Clara die schöne Blume mitgebracht. Hat geholfen." (PROTOKOLL: Wojciech Czaja, 20.1.2020)