Fazıl Say ist mittlerweile auch schon 50, in Sachen Musik ist er aber ein Berufsjugendlicher geblieben: supersensibel, megaintensiv und durchdrungen von einer immerwährenden Freude an der theatralischen Geste.

Foto: Marco Borggreve

Jetzt ist er doch tatsächlich auch schon 50. Übermäßig gefeiert scheint Fazıl Say aber nicht zu haben, denn nur einen Tag nach seinem Geburtstag präsentierte sich der türkische Pianist topfit im großen Konzerthaussaal. In Sachen Musik ist Say jedenfalls ein Berufsjugendlicher geblieben: Die Interpretationen des extrovertierten Entertainers sind immer supersensibel, megaintensiv und durchdrungen von einer immerwährenden Freude an der theatralischen Geste.

Dies konnte das Publikum schon bei seiner Troja-Sonate miterleben. Von Homer bis hin zu Wolfgang Petersen hat sich der komponierende Pianist für dieses gut halbstündige Werk inspirieren lassen, und tatsächlich bewies sich Say in dem zehnteiligen Opus als packender Erzähler eines klingenden Action-Spektakels à la Hans Zimmer – mit nahtlos integrierten romantischen Episoden.

Bei Letzteren verwunderte etwas, dass Say die Liebesgeschichten der schönen Helena ganz offensichtlich in den Gassen von Paris ansiedelt, stimmte er diesbezüglich doch gern chansonartige Klänge an. Insgesamt wirkte das 2018 entstandene Werk wie spontan improvisiert. Die Präsentation war erstklassig, der Inhalt medioker: außen wow, innen mau.

Showsinn und Sinnlichkeit

Ein äußerst inhaltspralles Werk folgte nach der Pause: die Hammerklaviersonate. Say – er hat übrigens pünktlich zum Beethovenjahr alle Klaviersonaten des Wahlwieners eingespielt – bestieg den K2 dieses Zentralmassivs der Klavierliteratur in der ihm eigenen Art: spielerisch, lustvoll herumtollend. Und die Unternehmung gelang. Beethovens Opus 106 war bei Say weniger Monument als abwechslungsreiche Gefühlserzählung, das Adagio sostenuto gab er tatsächlich appassionato e con molto sentimento, der finale Fugensatz war pianistische Extraklasse. Showsinn und Sinnlichkeit prägten auch die Zugabe, den zweiten und dritten Satz der Appassionata. Alles Gute zum Geburtstag! (sten, 16.1.2020)