Bevor alles tschari geht, geht sich noch ein Konzert in Wien aus. Algiers aus den USA verkündigen den Untergang im guten alten Predigermodus.

Foto: Matador

Man kann es nicht oft genug sagen. Und die meisten Menschen auf diesem Planeten gneißen es ohnehin irgendwann: Die Welt ist nicht gut eingerichtet. Schon okay, dass man da ist. In der Feinabstimmung erweist sich die ganze Angelegenheit allerdings als grundsätzlich verbesserungswürdig. Für Menschen, die mit der Gesamtsituation nicht einverstanden sind, gibt es im künstlerischen Ausdruck ein weites Betätigungsfeld zwischen Einverstandensein, Beschwichtigung und aufgrund grober Unzufriedenheit gegen die bestehenden Verhältnisse Richtung Protesthaltung aufgegamselt werden. Vergangenheit und Zukunft? All-in-Vertrag.

Jesus in der Fabrikshalle

Die aus den Südstaaten der USA aus Atlanta, Georgia, kommende Band Algiers führt auf ihrem neuen, mittlerweile dritten Album There Is No Year die in der Musikgeschichte selten gehörte Tradition fort, die ursprünglich afroamerikanischen Musikstile Soul und Gospel mit wütendem, im Punk sozialisiertem Rock zu verbinden. Obendrein setzt es dazu noch rhythmisierte Produktionsgeräusche aus einer Fabrikshalle, in der Roboter gerade Riffelbleche für Rutschfestigkeit im Außenbereich stanzen.

Matador Records

Das klingt aktuell oft nach den Synthie-Poppern Depeche Mode. Mit denen waren Algiers vor zwei Jahren als Attraktion im Vorprogramm auf Hallentournee durch Europa. Depeche Mode haben diese Sounds übrigens vor fast 40 Jahren von ihren früheren Labelkollegen Einstürzende Neubauten adaptiert. Und das Derivat des Derivats ist bei Algiers heute, inklusive guter alter Riffs aus der Schule des ungefähr einhundert Jahre alten Country-Blues aus den Südstaaten, der irgendwann während des Zweiten Weltkriegs nach Chicago ging, um dann auf der mit zwei Fingern auf dem Griffbrett gespielten Gitarre von Depeche-Mode-Boss Martin Gore im Sinne von Personal Jesus zu landen, jederzeit erkennbar.

Kirche der letzten Tage

Für Eilige: Algiers mit ihrem fantastischen Soul-Shouter Sänger Franklin James Fisher singen Gospel in einer Kirche der letzten Tage. Der Wald und die Welt brennen. Die Straßen brennen. Bürgerkrieg. Kriegkrieg, Amok-Koma. Klima erwärmt, Gesellschaft erkaltet. Es ist nicht fünf, sondern zwei Minuten vor zwölf, wie es im Titelsong heißt: "There’s a self-consuming contradiction / The more it turns the more we just deform / In the way you came to me, my darling / We bloomed like a rose in the mouth of a gun."

Das sollte einen eigentlich abtörnen. Es baut aber auf. (16.1.2020)