Abgeblitzt: Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn wollte die Wartezeiten für Menschen verkürzen, die auf Organe warten. Dafür fand er keine Mehrheit.

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Karin Pollack leitet das Ressort Gesundheit.

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Niemand denkt gerne über die schlimmstmöglichen Szenarien im Leben nach: über einen Autounfall oder einen Herzinfarkt und die Frage, was nach einem zweifelsfrei diagnostizierten Hirntod passiert. Wenn deutsche Bürger durch ihr Ableben Menschen, die dringend ein Organ brauchen, helfen wollen, müssen sie aber genau das tun. Der deutsche Bundestag hat sich nämlich am Donnerstag gegen eine Widerspruchslösung bei Organtransplantationen ausgesprochen. Wer als Organspender im Todesfall einem der 9400 Kranken auf der Warteliste helfen will, muss selbst aktiv werden und sich mit bürokratischem Aufwand in ein Register eintragen lassen.

Die Argumente derer, die damit das Leben von Kranken, denen geholfen werden könnte, verschlechtern, sind juristischer Natur: Eine Spende sollte immer freiwillig sein, im Fall eines Hirntods ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Zum anderen wird mit Ängsten argumentiert: was, wenn der Hirntod eine Fehldiagnose ist? Da entstehen Fantasien davon, dass Menschen wie Tiere ausgeweidet werden könnten, und immer wieder kommt auch die Verschwörungstheorie einer gewinnsüchtigen Transplantationsindustrie. Es sind Argumente von Leuten, die dem jetzigen System nicht vertrauen. Das ist irrational, denn es gibt viele Länder, in denen die Widerspruchslösung zur Organspende in Kraft ist und sehr gut funktioniert.

Verantwortung von Politik

Es liegt in der menschlichen Natur, eher nicht über den eigenen Tod nachdenken zu wollen. Deshalb muss die Politik das übernehmen. In Österreich hat Bruno Kreisky Anfang der 1980er-Jahre die Weichen gestellt und mit seiner Weitsicht die Grundlagen für einen Medizinzweig geschaffen, der abertausenden Menschen das Leben gerettet hat. Schade, dass der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn nun mit einem ähnlichen Vorschlag gescheitert ist. Die deutsche Entscheidung hat nämlich europaweit Auswirkungen, denn das medizinisch hochtechnisierte Land, das Transplantionen durchführen kann, muss sich die Organe aus anderen Ländern holen.

Die deutsche Organknappheit hat schon in der Vergangenheit zur unappetitlichen Diskussion über Zuteilungen geführt. Die Hauptleidtragenden sind die zahllosen Kranken auf den Wartelisten. Es wäre eine Aufgabe der deutschen Politik gewesen, sich vor diese schwächsten Glieder der Gesellschaft zu stellen. Diese historische Chance wurde vergeben. (Karin Pollack, 17.1.2019)