In den Rausch von Ankündigungen, mit dem sich die türkis-grüne Regierung über ihre innere Inkompatibilität hinwegschwindeln will, ist doch noch eine kleine Überraschung gefallen. Heinz-Christian Strache – Sie erinnern sich an den Untoten des Jahres 2019? – hat sich von seiner alten Klientel abgewandt und schützend vor Alma Zadić geworfen. Die Angriffe auf sie sind absolut inakzeptabel und unwürdig, twitterte er. Nicht die Herkunft zählt, sondern die Ideen, welche ein Mensch vertritt.

Bemerkenswert ist das insofern, als der Bundeskanzler drei Anläufe gebraucht hat, um sich ähnlich entschieden hinter seine, genauer hinter die grüne Ministerin zu stellen. Dass auf einmal nicht mehr die Herkunft, sondern die Ideen eines Menschen zählen sollen, ist ein Angriff auf jene Heimatschutzpolitik, mit der Sebastian Kurz das Vermächtnis seines vormaligen Koalitionspartners ungeachtet seines derzeitigen getreulich fortführt, in der Erwartung, der werde schon auch noch die Vorteile einer gesunden Fremdenfeindlichkeit erkennen.

Zum Pressefoyer nach dem Ministerrat will sich Kanzler Kurz sich nur noch fallweise herablassen.

Steter Tropfen soll auch den grünen Stein höhlen, und da diesbezüglich schon einiges gelungen ist, warum lockerlassen? Das Kopftuchverbot für Mädchen bis 14 Jahre ist noch nicht durch, und schon soll eines für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen kommen. Die Integrationsministerin erfüllt damit nur das ihr von oben vorgegebene Plansoll an Desintegration, aber man hätte ihr wenigstens intelligentere Begründungen auf den Amtsweg mitgeben können. Beim Kopftuchverbot bis 14 solle es um "bewusstseinsbildende Maßnahmen" in Schulen gehen. Welches Bewusstsein außer dem einer einseitigen religiösen Intoleranz soll da gebildet werden? Das wünschenswert Säkulare, Schulen frei von jeglichen religiösen Symbolen, wäre Bewusstseinsbildung, für die Türkis nicht zu haben ist. So leicht lässt man nicht ab von billigem Populismus.

Beim Kopftuch für Lehrerinnen gehe es laut der Ministerin darum, "welches Rollenbild an den Schulen vermittelt werde". Man sollte glauben, das Rollenbild einer Lehrerin gleiche dem eines Lehrers, bei dem auch niemand fragt, ob er katholisch, protestantisch oder Moslem sei, solange das Rollenbild stimmt, auf das es ankommt, nämlich das pädagogische. Aber wer weiß, vielleicht sind die Grünen ja einmal vom Verbot des Kopftuchs für Lehrerinnen bis 40 zu überzeugen. In einer für die Existenz der Republik so wichtigen Frage gibt es immer noch koalitionsfreien Raum.

Rascher als bei Zadić stellte sich der Bundeskanzler diesmal hinter Frau Raab. "Es ist ihr gutes Recht als Ministerin, das so zu sehen, ich teile ihre Einschätzung." Das fiel ihm leicht, musste er doch deswegen keine sozialmediale Hasswelle befürchten.

Und er hat ohnehin Wichtigeres zu tun, muss er sich doch nach der Neutralisierung der Grünen jetzt ernsthaft um seine Vergöttlichung bemühen. Zum Pressefoyer nach dem Ministerrat will er sich nur noch fallweise herablassen. Nebenbei wird er nach der Mittelmeerroute nun die Kluft zwischen Ost- und Westeuropa schließen, fleischliches Erscheinen vor dem Volk wird nicht ganz zu vermeiden sein. Nach Pflegeheim und Wachzimmer sollte man künftig in Moscheen auf der Hut sein. (Günter Traxler, 17.1.2020)