Um eine Farbe zu beurteilen, reicht meist ein Blick. Sind die Küchenkastln in einem Ton gehalten, der an ungesundes Nasensekret erinnert, bestimmt das schnell die Stimmung des Raumes. Noch mehr spielt Farbe eine Rolle, wenn sie ganze Wände bedeckt. Wer chromophob veranlagt ist, sich also mit bunten Kreationen schwertut, für den stellt sich die Frage nach der richtigen Farbe erst gar nicht: Weiß ist die Antwort. Alle anderen dürfen sich 2020 austoben.

Die Einrichtungsexpertin Fridi Nefe sagt für 2020 ein naturbestimmtes Jahr voraus: "2020 wird geprägt sein von Erdfarben und weichen Grautönen, die sich an den Gegebenheiten der Natur anlehnen." Mit dieser Farbpalette werde das Zuhause in einen einladenden Rückzugsort verwandelt. Dabei soll der Trend abebben, nur eine Seite des Raumes zu streichen. Der Tipp der Expertin: "Nach Achsen suchen, die man mit einer Wandfarbe verlängern kann."

Es kann Spaß machen, gemeinsam eine Wand zu streichen. Aber auch die Farbe selbst hat Einfluss auf den Gemütszustand, wissen Experten.
Foto: iStock/Jelena Danilovic

Rot ≠ Ruhe

Wichtig ist, die Farbe zu testen, bevor man einen Raum damit zukleistert. Nefe empfiehlt, erst mit einem Farbfächer, dann mit größeren Farbkarten und schließlich mit einem kleinen Probeanstrich zu arbeiten. "Es ist wichtig, die Farbe wirken zu lassen. Je nach Himmelsrichtung und Beleuchtung kann ein Farbton ganz anders aussehen."

Dafür, dass Weiß in vielen Wohnungen noch die bestimmende Farbe ist, hat Nefe Verständnis: "Es gibt viele, die großen Respekt vor der Farbauswahl haben und denen das Know-how fehlt." Das Wissen darüber, welchen Einfluss eine Farbe auf den Gemütszustand hat, kann vor Fehlern schützen. Hat man vor, das Schlafzimmer in Rot zu streichen, sollte man sich das noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Das menschliche Auge reagiert empfindlich auf die Farbe. Rot ist deshalb in einem Raum, in dem Ruhe vorherrschen sollte, fehl am Platz.

Kehrseite der bunten Medaille: Wohnt man in einer Mietwohnung und will sich kreativ austoben, bleibt immer im Hinterkopf die Tatsache, dass alles wieder in das ordinäre Weiß verwandelt werden muss. Oder doch nicht?

Ausmalverpflichtungen oft ungültig

Wie so oft ist die Rechtslage schwammig. Grundsätzlich gilt aber, dass die sogenannte Ausmalverpflichtung, die Mietern im Rahmen eines Vertragsformulars immer wieder vor die Nase gesetzt wird, ungültig ist. Ausnahmen gibt es auch hier, die sind aber selten. So ist die Verpflichtung dann einzuhalten, wenn der Vermieter den Mieter für die Arbeit entschädigt, etwa durch die Übernahme der Kosten oder die Erlassung des Mietzinses für einen Monat.

Grautöne schauen nicht nur schön aus, sie sind auch vermieterfreundlich.
Foto: Fridi Nefe

Darüber hinaus kommt es beim Ausmalen im Falle des Auszugs darauf an, was für eine Wandfarbe der Vermieter benutzt hat. "Veränderungen des Mieters sind zu dulden, wenn es sich um ortsübliche, also keine knalligen Farben handelt", sagt Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband. Die Arbeiterkammer gibt folgende Beispiele an: Malen die Kinder ihr Zimmer schwarz aus, muss der Mieter die Ursprungsfarbe beim Auszug wiederherstellen. Streichen sie die Wände aber in einem herkömmlichen Grünton, besteht kein Grund, die Farbe zu übermalen. Denn: Das Landesgericht Wien hat in einem Urteil angegeben, "die konkrete Farbwahl stelle keine ungewöhnliche Abnützung der Wände dar". Die neutralen Trendfarben 2020 sollten daher eine recht vermieter-freundliche Auswahl sein.

Häufiger Streitpunkt

Da die Rechtslage aber viele – farblich ja jetzt im Trend liegende – Grauzonen beinhalte, sei das Thema nach wie vor ein häufiger Streitpunkt, so Kirnbauer. Das halte die Kundinnen und Kunden aber nicht davon ab, zu experimentieren, egal ob Eigentums- oder Mietwohnung, sagt Nefe: "Meiner Meinung nach spielt die Rechtsform keine Rolle."

Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich gut streiten. Wer also seiner Wohnung für 2020 einen neuen Glanz verleihen will, der greift zu Pinsel und Erd- oder Grautönen. Nur bitte nicht zu Popelgrün. (Thorben Pollerhof, 19.01.2020)