Werden Fonds geschlossen, können Kunden auf andere Produkte switchen. Haben diese andere Bedingungen, fällt der Wechsel schwer.
Foto: imago/Ralph Peters

Das Niedrigzinsumfeld bekommen nun auch vermehrt Versicherungsnehmer zu spüren. Vor allem jene, die eine fondsgebundene Lebensversicherung abgeschlossen haben – und damit auf einen Mehrertrag über den Kapitalmarkt hoffen.

Vergangenen Herbst bekamen etliche Kunden einen Brief von ihrer Versicherung, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass mit dem Fonds, in dem die Prämien veranlagt werden, wegen des nachhaltig niedrigen Zinsniveaus keine Vermögenszuwächse mehr zu erzielen sind. Das betreffende Produkt – der Fonds FlexPension II – wurde daher von der Fondsgesellschaft (DWS International GmbH) per 12. November 2019 aufgelöst. Betroffene Kunden haben von ihren Versicherern Ersatzfonds angeboten bekommen, auf die ihr bis dahin angelegtes Kapital übertragen werden kann und in welche die weiteren Prämien veranlagt werden sollen.

Der Haken dabei ist aber, dass der von der DWS aufgelöste Fonds eine Kapitalgarantie und eine Höchststandsgarantie gehabt hatte. Diese Klauseln waren beim Abschluss der Verträge für viele Kunden wohl ein wesentliches Argument für die Sicherheit des Produkts. Diese Sicherheit erlischt aber mit dem Schließen des Fonds.

Einseitige Änderung

Hinzu kommt: Alle angebotenen Fonds-Alternativen haben diese Form der Absicherung nicht mehr. "Damit werden die Kunden, denen bei Abschluss der Versicherung eine Kapitalgarantie versprochen wurde, während der Laufzeit dem vollen Kapitalmarktrisiko ausgesetzt", erklärt der Anwalt Robert Haupt. Er sieht darin für betroffene Kunden einen groben Nachteil und hat die betroffenen Versicherungen zunächst um Stellungnahme gebeten.

Diese berufen sich darauf, dass nicht sie als Versicherungsanbieter schuld daran sind, dass der vorgegebene Fonds nicht mehr zur Verfügung steht. Das habe der Fonds-Anbieter so entschieden. Zudem gebe es in den Verträgen der fondsgebundenen Lebensversicherungen eine Klausel, die einen Wechsel auf einen Fonds ohne Kapitalgarantie und ohne Höchststandsgarantie während der Laufzeit erlaube.

Für Haupt ist diese Klausel aber für Kunden gröblich benachteiligend und intransparent, und "sie beinhaltet das einseitige Recht der Leistungsänderung", so der Anwalt. Zudem weist er im Gespräch mit dem STANDARD darauf hin, dass sich die Versicherungen überhaupt nicht gegenüber der Fondsgesellschaft abgesichert haben, dass die Kapitalgarantie bis zum Laufzeitende für ihre Versicherungsnehmer erfüllt wird.

Spätrücktritt

Haupt will für jene Kunden, die sich bereits an ihn gewandt haben, erreichen, dass sie ihre Verträge auflösen können, und zwar zu den Bedingungen eines sogenannten Spätrücktritts. Das hieße, dass die Kunden eine Verzinsung von vier Prozent auf ihre bisher einbezahlten Prämien von der Versicherung erhalten. Haupt beruft sich in seiner Argumentation auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Mai 2013, das – vereinfacht ausgedrückt – besagt, dass ein Vertrag in seiner Gesamtheit als nichtig anzusehen ist, wenn sich erweist, dass dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet wird.

In der Praxis sieht der Rechtsexperte das so: Kann der Versicherer also nicht auf einen gleichwertigen Fonds wechseln – und haben alle angebotenen Ersatzfonds der Versicherungen keine Kapital- und/oder Höchststandsgarantie –, wird der Lebensversicherungsvertrag mangels Fonds undurchführbar, weil der ursprüngliche Fonds ja geschlossen wurde. Es gibt aber keine fondsgebundene Lebensversicherung ohne Fonds. Daher müssten die Gerichte die Verträge in diesem Fall als nichtig ansehen, wodurch eine Rückabwicklung eintreten würde.

Nach derzeitigem Stand sind in diesem Fall Kunden von vier Versicherungen von der Fondsschließung betroffen. Gegen drei Versicherungen wurden erste Musterklagen eingebracht. (Bettina Pfluger, 16.1.2020)