Hart am Happy End: Matthew Ball (Florimund), Yasmine Naghdi (Aurora).

Foto: Bill Cooper

Erst verflucht, dann ins magische Koma versetzt – Aurora hat es nicht leicht. Dafür wird die märchenhafte Prinzessin später von einem Prinzen aus dem Koma geküsst. Heuer ist das russische romantische Ballettstück Dornröschen zu Peter Iljitsch Tschaikowskis Musik und in der Choreografie von Marius Petipa 130 geworden. Bis heute zeigt es die Ängste der damals herrschenden aristokratischen Klasse vor dunklen Bedrohungen.

Tolles Erlebnis

Das Londoner Royal Ballet hat den Klassiker nicht so sehr wegen des runden Jubiläums wiederaufgenommen, sondern eher an 1946 gedacht. Denn damals wurde das Royal Opera House Covent Garden (ROH) mit Ninette de Valois’ Inszenierung von The Sleeping Beauty, wie Dornröschen auf Englisch heißt, nach Ende des Zweiten Weltkriegs wiedereröffnet. Ein großer Moment für die britische Hochkultur.

Die Zeiten sind noch besser geworden. Heute lassen sich Aufführungen live in die Kinosäle aller Herren Länder übertragen. Wie gerade The Sleeping Beauty, die simultan auf 1028 Kinoleinwänden in 24 Ländern wachgeküsst wurde. In Wien war das die Millennium Kinowelt am Handelskai: mit erstklassiger Bildqualität, akzeptablem Ton und Kameras, die den Blick direkt ins Bühnengeschehen ziehen. Kein Vergleich jedenfalls mit den läppischen Streamings für die Computer- oder TV-Bildschirme zu Hause. Das Kinoerlebnis wird höchstens von der Liveaufführung vor Ort übertroffen, sofern man sich die Reise und einen guten Sitzplatz leisten kann.

Auch Opern im Programm

Übertragungen aus dem ROH gibt es auch für Opernfreunde: Am 29. Jänner wird zum Beispiel Puccinis La Bohème in der Regie von Richard Jones zu sehen sein. Dirigent ist Emmanuel Villaume, es singen Ekaterina Siurina (Mimi) und Charles Castronovo (Rodolfo). Ballett gibt es wieder am 25. Februar – Cathy Marstons The Cellist und Jerome Robbins’ Dances at a Gathering. Im April wird Liam Scarletts Swan Lake ins Kino gesendet und, besonders empfehlenswert, im Mai Wayne McGregors neues zeitgenössisches Ballett The Dante Project.

Aber zurück zum Dornröschen: In der Aufführung am Donnerstag sprang Fumi Kaneko etwas angespannt als Prinzessin Aurora für die verletzte Lauren Cuthbertson ein. Gina Storm-Jensen glänzte als Fliederfee, Kristen McNally gab der bösen Carabosse die nötige Abgründigkeit, und das großartige Paar Yasmine Naghdi und Matthew Ball, die auch schon Aurora und ihren Prinzen getanzt haben, überzeugten diesmal als Florine und blauer Vogel. (Helmut Ploebst, 17.1.2020)