Anfänglich waren es Briefe, eingerollte und verschnürte Nachrichten. Etwa das Schreiben eines Statthalters an einen anderen Statthalter, der einem Beamten, einem Kaufmann oder einem Pilger die schriftliche Erlaubnis gab, durchs Land zu reisen, auf die andere Seite eines Flusses etwa. Oder in ein Gebiet, das noch keine Schranken oder Absperrungen kannte, in dem Berge, Gräben oder Gewässer, auch dichte Wälder oder ein Stück Einöde die Grenzen bildeten.

Foto: Willy Puchner

Sehr viele Jahre später, als Reisen verbreiteter war und herrschaftliche Strukturen sich stärker entwickelt hatten, Ordnungshüter, Zollbeamte und Militärs ihren Dienst versahen, wurden Papiere für die Reisenden ausgestellt, die heute den Charme längst vergangener Zeiten besitzen.

Sie sind meist vergilbt, mit vielen Stempeln versehen, zeigen Spuren der Zeit und sind mehrfach gefaltet. Auf den Urkunden waren die Besitzer mit sogenannten Signalements aufgezeichnet: Ihre Haare, Augenbrauen und Augen wurden ebenso beschrieben wie Gesicht, Stirn, Nase, Mund, Kinn, Gesichtsfarbe und Statur. Besondere Kennzeichen wurden extra benannt. Die Vermerke waren Standardisiert, austauschbar und auch ein wenig willkürlich. Diese kurzen Beschreibungen könnten als ungenaue Vorläufer der Passbilder gesehen werden.

Ich-Bewusstsein des Bürgertums

Mit der Erfindung der Fotografie und dem Verschwinden langer Belichtungszeiten wurden die fotografischen Lichtbilder immer populärer und Ausdruck eines neuen Ich-Bewusstseins des Bürgertums. Was bisher dem begüterten Adel vorbehalten war, konnten sich nun auch die aufsteigenden Bürger leisten: ein fotografisches Porträt ihrer selbst in einer ehrenwerten Pose.

In ihren Bildern wirken sie erstarrt, verstummt und manchmal auch dekadent.

Mit der Verbreitung der Fotografie und deren Kommerzialisierung sowie der Entwicklung der Handkameras begann auch der Amateurfotograf seine Welt in Bildern festzuhalten. Festgehalten wurde nun, was später erinnert werden soll, festgehalten wurde auch, was dem Prestige dient. Die Welt wurde idealisiert, und diese Verklärung wirkt bis heute fort.

Um schöne Porträts zu besitzen, entstand Mitte des 19. Jahrhunderts der neue Berufszweig des Porträtfotografen. Sie fertigten in der Größe der heutigen Visitenkarte sogenannte Cartes de Visite, kleine Bilder, die zwischen Freunden getauscht oder in Alben gesammelt wurden, ebenso Kabinettfotos oder Porträts, die in Anmeldescheine, Passierkarten oder sonstige Ausweise geklebt wurden. Die Porträts sollten die Menschen von ihrer schönsten Seite zeigen. Nicht nur die Geschenkbilder wurden retuschiert, überarbeitet und nachbearbeitet, generell gehörte es zum Ansehen eines Porträtisten, alle Kunden zu verschönern. Im Atelier krönte weiches Licht so manches Scheitelhaar.

Im Gegensatz zu den charmanten Porträts waren die erkennungsdienstlichen Fotografien, die auch im 19. Jahrhundert ihren Ursprung hatten, schon von Beginn an sachlich und nüchtern, hatten sie doch vor allem den Zweck, der Polizei und Kontrolle zu dienen. Zu jener Zeit wurden gelegentlich Insassen in Gefängnissen abgelichtet oder in vielen Städten Sammelbücher von Verbrechern angelegt, immer bereit für die eine oder andere Fahndung. Aufgenommen wurden die Bilder von vorn sowie im linken und rechten Profil, eine Tradition, die sich bis heute erhalten hat.

Zur Zeit des Nationalsozialismus

1885, in dem Jahr, in dem George Eastman sein Patent für den ersten Rollfilm erhielt, Carl Auer von Welsbach seinen Glühstrumpf patentierte und Hiram Maxim sein Maschinengewehr erstmals präsentierte, wurde das Passbild so mancherorts im deutschsprachigen Raum eingeführt.

Es ist unmöglich herauszufinden, wer der erste Mensch war, der sein Passbild, eingeklebt in irgendeinen Ausweis, seinen Freunden zeigte, stolz über sein Antlitz, oder wer der Erste war, der mit dem Ausweis eine Grenze überschritt, um eine Sache zu erledigen oder auf Reisen zu gehen. Fest steht, dass das moderne Kommunikationsmittel des Reisepasses mit dem Passbild als Marginalie eine immer größere Verbreitung erfuhr.

Zur Zeit des Nationalsozialismus, genau genommen am 10. September 1939, erscheint das Reichsgesetzblatt zur "Verordnung über den Pass- und Sichtvermerkszwang sowie über den Ausweiszwang".

Nun haben sich alle Staatsbürger, die über 15 Jahre alt sind, jederzeit durch einen amtlichen Lichtbildausweis über ihre Person auszuweisen. Der Zweite Weltkrieg hat diese Ausweispflicht noch gefördert, das amtliche Dokument mit Lichtbild ist absolute Pflicht. Wenige Monate vor Kriegsbeginn wird eine Volkszählung im gesamten Deutschen Reich durchgeführt. Sie schafft die Basis für die neue "Volkskartei". Von nun an sind die Menschen transparenter, man sieht sofort, wer eine Fremdsprache spricht oder ein Zigeunermischling zweiten Grades ist. Der neu eingeführte Ausweis wird in zweifacher Form ausgestellt. Ein Stück mit Lichtbild, Fingerabdrücken und der handschriftlichen Unterschrift wird in die Volkskartei eingeordnet, doch noch waren die Karteikarten viel zu klein, um allzu viele Informationen darauf zu versammeln. Das System der Kontrolle wurde auch nach dem Krieg weiter ausgebaut.

Neue Kriterien

Im Zeitalter der Biometrik, in dem der Mensch vermessen und dann ausgewertet wird, ist das Lichtbild und damit auch das Passbild Teil von biometrischen Erkennungsverfahren. Personen sollen nun mechanisiert erkannt werden. Gesichtserkennung ist ein Aspekt solch automatisierter Erkennungsmethoden. Sie wird sicherheitstechnisch, kriminalistisch und forensisch eingesetzt, zum Zweck der Identifikation oder zur Authentifizierung von Personen.

Typischerweise dient die technische, computergestützte Gesichtserkennung zur Kontrolle des Zutritts zu sicherheitsempfindlichen Bereichen und zur Suche nach Dubletten in Datenbanken, beispielsweise in Melderegistern zur Vermeidung von Identitätsdiebstahl. Ihre detaillierten Spezifikationen hinsichtlich Bildinhalt und Aufnahmetechnik zielen auf relativ hohe Erkennungsqualität.

So gesehen ist die Zeit der nostalgischen und individuellen Passbilder vorbei. Für den EU-Reisepass gibt es neue Kriterien. Die Fotos dürfen nicht älter als sechs Monate sein. Der Kopf auf dem Passfoto soll zwei Drittel des Bildes einnehmen. Er muss zentriert, scharf, klar und gleichmäßig ausgeleuchtet sein. Das Bild darf keine Kleckser, Knick- oder Kratzspuren aufweisen. Der Mund bleibt geschlossen, der Gesichtsausdruck neutral. Der Fotografierte muss direkt in die Kamera blicken, die Augen geöffnet und deutlich sichtbar. Ohren und Augen dürfen nicht durch Haare bedeckt sein.

Die klassische Porträtpose ist nicht gestattet, keine Retuschen, keine Experimente, keine Spielereien. Der Hintergrund muss hell und einfärbig sein. Schatten und jegliche Muster sind untersagt. Die Brillengläser bei Brillenträgern dürfen nicht reflektieren oder die Augen verdecken. Berufsfotografen verwenden für die Anfertigung ihrer Passbilder eine Schablone, in die sie die EU-Bürger einpassen. (Willy Puchner, 19.1.2020)