Dazwischen finden sich Texte, Interviews und Podcasts zu Themen wie "Wie abwesende Väter unsere erwachsenen Beziehungen prägen" oder die durchaus sinnvolle Forderung auf Instagram, psychische Erkrankungen ernst zu nehmen. Eine Expertin betont im Interview, nicht viel Make-up zu tragen, und betet dann ihre fünf sündteuren Hautpflegeprodukte runter, die sie vorm Schminken benützt, insofern unterscheidet die Website wenig von einschlägigen Frauenmagazinen.
"Selfcare", das dezidierte Kümmern um das eigene Wohl, hat einen ganz besonderen Reiz in einer Zeit zunehmenden Tempos und des Zwangs, wirklich alles im Leben erreichen zu müssen. Natürlich ist es sinnvoll, über das eigene Leben, die eigenen Ziele, Familienkonstrukte und Traumata nachzudenken und mit Experten Lösungen zu finden. Doch ein als Magazin getarntes Werbeumfeld ist dafür wohl nur ein mäßig guter Ort.
Dass viele Frauen etwa oft "so fucking tired sind", hat seinen Grund fix auch im System, Stichwort Doppelbelastung, Altersarmut, ungleiche Vermögensverteilung, Gläserne Decke etc. Doch Goop hat sich eben nicht dem Kampf gegen den Kapitalismus verschrieben, behauptet das auch nicht, sondern schlicht dem Verkauf von Produkten. Und so ist der Skandal wohl nicht, dass ein Luxusschuhdesigner wie Louboutin exklusiv für das Portal sündteure Babyschuhe entwirft, sondern die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich, über die es auf goop.com verständlicherweise nur sehr wenig Inspirierendes zu lesen gibt.
Also nein, Weltrevolution wird es durch eine Vagina-Duftkerze keine geben. Und ebenfalls nein, an der Mindfulness liegt es auch nicht, dass reiche Menschen älter werden und gesünder leben. Aber Antworten auf die Klassenfrage sucht hier ebenfalls niemand.
Was also tun mit diesem Sammelsurium an einigen echten Wahrheiten und sehr vielen Binsenweisheiten? Vielleicht eines: sehr achtsam dahinter sein, dass "die wichtigste Erfahrung meines Lebens" am Ende keine Detoxkur ist. (Julia Pühringer, 19.1.2020)