Gerald Fleischmann moderiert hier Journalistenfragen im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Der langjährige Kurz-Kommunikator ist nun auch Medienbeauftragter des Kanzlers.

Foto: Matthias Cremer

Medienpolitik als Machtpolitik hat Sebastian Kurz nicht erfunden, und ebenso wenig sein langjähriger Kommunikator Gerald Fleischmann. Sie stehen in langer österreichischer Tradition von Einflusshoffnung auf den ORF und des Buhlens um andere Medien, vor allem den Boulevard, auch mit öffentlichen Inseraten – in der Hoffnung auf freundliche Berichterstattung.

Nun ist mit Fleischmann (46) aber jener Mann im Bundeskanzleramt für Medienpolitik zuständig, der sehr lange und lange auch sehr nachdrücklich darauf achtet, wie und womit Sebastian Kurz in den Medien vorkommt.

Grüne Kritik an Unvereinbarkeit

Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, sagte vor einer Woche im STANDARD-Interview: "Ich halte das dem Grunde nach für unvereinbar, aber Sebastian Kurz sieht das offenbar anders. Ich finde, man kann PR für ein Regierungsmitglied nicht mit der medienpolitischen Strategie eines Staates verbinden."

Fleischmann wirkt über solche Vorwürfe fast gekränkt oder zumindest beleidigt. Als traue man Kurz' Expressesprecher, von Politikjournalisten auch als "Mann fürs Grobe" beschrieben, nicht zu, etwas anderes zu machen, und das anders. Überzeugende Kommunikation bleibt also eine seiner besonderen Stärken.

Fleischmann ist wieder Vize-Kabinettchef von Kurz, wieder zuständig für die wöchentlichen Schwerpunktthemen der Regierung (bei ÖVP und FPÖ nannte man das Message-Control). Er hat Agenden des Regierungssprechers mit, so das Wording, "Serviceleistungen" für alle Pressesprecher in der Regierung. Und Fleischmann ist nun auch "Kanzlerbeauftragter für Medienagenden". Für Medienpolitik ist in der Koalition mit den Grünen Kanzler Kurz selbst ressortzuständig.

"Umsetzung des Regierungsprogramms"

Welche Medienpolitik macht dieser Gerald Fleischmann? "Die Umsetzung des Regierungsprogramms", sagt er. Auf alles, was da nicht steht, müssten sich Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) noch einigen.

Fleischmann trifft in diesen Tagen viele Stakeholder der Branche, also Eigentümer, Verleger, Manager, und fragt sie nach ihren Vorstellungen, von ORF bis "Krone", von "Heute" und "Österreich" bis STANDARD und "Presse", Bundesländerzeitungen und Privatfunk. Es war noch nie eine leichte Aufgabe, die Interessen der Medien unter einen Hut zu bringen. Selbst unter den Zeitungen ist das mehr als schwierig – etwa bei der Presseförderung.

Die Grünen drängen auf Reformen der diversen Förderungen und öffentlichen Inserate, die häufig ebenfalls Fördercharakter haben. Im Regierungsprogramm steht dazu gleich mehrfach nur die Überprüfung und Evaluierung. Auf mehr konnten sich ÖVP und Grüne nicht einigen. Da gilt für den Medienbeauftragten: Alles darüber hinaus ist ein Thema für Kurz und seinen Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler.

Digitalförderung und Medienfonds

Bis Sommer soll eine neue Digitalförderung für österreichische Medien konstruiert sein: 15 Millionen Euro aus der Digitalwerbesteuer für digitale "Transformations"-Projekte. Als Beispiel fällt da Datenjournalismus. Ein Medienfonds soll Streamingplattformen besteuern und damit österreichische Produktion fördern.

Die EU-Vorgabe 30 Prozent europäische Inhalte auf Streamingdiensten ist in nationales Recht umzusetzen. Das gilt auch für EU-Bestimmungen, um junge Menschen vor Gewaltdarstellungen zu schützen.

Nur eine bestehende Förderung wird schon im Programm mehr als evaluiert: Nach fünf Millionen mehr für kommerzielle Privatsender auf nun 20 Millionen im Jahr soll es auch für nichtkommerzielle Stationen mehr geben, die bisher unverändert drei Millionen Bundesförderung bekommen.

"Österreich-Tube"

Was lässt sich da noch absehen zwischen Fleischmann und Blimlinger? Weiterhin GIS oder – allerdings, soweit erkennbar, allein Grüner Wunsch – eine Haushaltsabgabe für den ORF etwa, Österreichs weitaus größtes Medienunternehmen. Die ÖVP sieht den ORF (auch) als Infrastruktur für Private – etwa mit einer Streamingplattform, auf der auch private Medienhäuser ihre Inhalte präsentieren. Fleischmann hat dafür einmal den Begriff "Österreich-Tube" erfunden.

Das ist eine wesentliche Idee hinter der gesetzlichen "Verankerung" einer Zusammenarbeit von ORF und Privaten. Auch ein gemeinsames Login für österreichische Medien. Vielleicht doch noch gemeinsame Vermarktung von Onlinewerbung. Auch Zugang zum ORF-Archiv kommt beim Thema Kooperation. Ein neues ORF-Gesetz soll bis Jahresende vorliegen.

Einen Vorstand mit mehreren Mitgliedern statt eines Alleingeschäftsführers für den ORF hat sich die ÖVP noch in der Koalition mit der FPÖ vorgenommen. Und auch die Grünen klingen durchaus aufgeschlossen. Aber: Ein Vorstand für den ORF steht nicht im Regierungsprogramm. Und damit gilt auch hier für den Medienbeauftragten des Kanzlers die Formel: Was nicht im Programm vereinbart ist, darauf müssen sich Kurz und Kogler noch einigen.

Grün und Blau im ORF

Die Partei- und Regierungsmandate im obersten ORF-Gremium Stiftungsrat sollen bis zu dessen nächster Sitzung am 19. März besetzt sein. Löst die FPÖ ihren Vertreter Norbert Steger ab, verliert sie mit ihm auch den Vorsitz, potenziell an die Grünen. Weder von Steger noch von der FPÖ waren dazu am Freitag Aussagen zu bekommen. In der FPÖ scheint aber eine Ablöse Thema zu sein.

Bundesliga-Fragen

Noch nicht viel konkreter als unter ÖVP und FPÖ wirkt die Ankündigung im Regierungsprogramm, zu prüfen, was künftig im Free TV laufen muss.

Das Fernseh-Exklusivrechtegesetz sieht eine Verordnung über "Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung" vor, die im frei empfangbaren Fernsehen laufen müssen (der ORF gilt hier auch als Free TV).

Olympische Spiele, die österreichische Nationalmannschaft bei Europa- und Weltmeisterschaften und etwa auch der Opernball stehen schon auf der Liste.

Seit Sky die Bundesliga (bis auf vier Spiele bei A1) exklusiv bis zum Ende der Saison 2021/22 übernommen hat, laufen Debatten über verpflichtende Spiele im Free TV. In bestehende Verträge lässt sich aber schwer eingreifen.

"Wiener Zeitung"

Die republikseigene "Wiener Zeitung" soll bald auf ihre wichtigsten Einnahmen "in Printform" verzichten, Pflichtinserate von Unternehmen. Das neue "Geschäftsmodell" im Regierungsprogramm klingt nach öffentlichem Geld für Dienstleistungen der "Wiener Zeitung" wie help.gv.at oder Ausbildung.

Auf Bestand als Tageszeitung legt sich niemand fest, dazu schweigen beide Seiten. Das muss noch nicht heißen, dass die älteste noch erscheinende Tageszeitung nicht weiterbesteht – womöglich aber auch nur als Wochenzeitung. Aber auch das ist eine Interpretation. (Harald Fidler, 17.1.2020)