Alexander Schallenberg war schon unter Brigitte Bierlein das, was er auch jetzt unter Sebastian Kurz ist: Außenminister.
Foto: Außenministerium / Andy Wenzel

Außenminister Alexander Schallenberg ist der einzige Minister der Expertenregierung unter Brigitte Bierlein, der auch im zweiten Kabinett von Sebastian Kurz im Amt bleibt. Seine erste bilaterale Auslandsreise führte ihn, an eine alte österreichische Tradition anknüpfend, in die Schweiz. Er zeigt prinzipiell Verständnis dafür, dass der Nachbar das Rahmenabkommen mit der EU noch hinauszögert – die Situation sei aber "unbefriedigend".

STANDARD: Sie wurden in Bern geboren, waren Pressesprecher der aktuellen österreichischen Botschafterin dort, Ursula Plassnik. Macht Sie diese Reise nostalgisch?

Schallenberg: Die Reise hat nicht nur nostalgischen Wert, sondern ist vor allem als politisches Signal gedacht. Als Anerkennung der Nachbarschaft in einer Zeit, in der wir vielleicht manchmal einen zu starken Eurozentrismus haben.

STANDARD: Thema des Besuchs war, neben der Iran-Krise, auch das Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU, das seit Monaten wegen einiger offener Punkte auf Eis liegt. Im Mai stimmt die Schweiz über die Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der EU ab. Wie ist die Stimmungslage?

Schallenberg: Die Situation in Bezug auf das Rahmenabkommen ist derzeit sehr unbefriedigend. Auch Zeitverlust ist ein Verlust. Wir Österreicher gehören sicher zur Gruppe innerhalb der EU, die Verständnis für die Schweiz hat. Das ist aber mittlerweile keine große Gruppe mehr.

STANDARD: Sie besuchten auch die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in Genf. Österreich ist seit Anfang 2019 im UN-Menschenrechtsrat vertreten. Was können wir beitragen?

Schallenberg: Die Reise nach Genf hatte auch das Ziel, den multilateralen Fokus unserer Außenpolitik zu verdeutlichen. Menschenrechte sind ein zentrales Element davon und kein Selbstzweck, sondern das A und O für jede stabile, soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Österreich hat hier eine hohe Glaubwürdigkeit.

STANDARD: 2018 kritisierte das UN-Hochkommissariat die Abwicklung der Asylverfahren in Österreich. Trübt das das Verhältnis?

Schallenberg: Überhaupt nicht. Konstruktive Kritik nehme ich immer gern auf. Aber ich habe sie damals als teilweise übers Ziel geschossen wahrgenommen. 2015/16 befanden wir uns bekanntlich in einer Krise, die das System einfach überfordert hat, Österreich hatte über 160.000 Asylanträge. Jedes System ist verbesserungswürdig, aber im Vergleich sind wir gut damit umgegangen.

Alexander Schallenberg bei UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet: Menschenrechte sind ein zentrales Element unserer Außenpolitik, kein Selbstzweck.
Foto: Außenministerium / Andy Wenzel

STANDARD: Ihr Job in der Expertenregierung war so etwas wie eine Generalprobe. Jetzt ist der Wechsel vom Diplomaten zum Politiker vollzogen. Wie geht es Ihnen damit?

Schallenberg: Es ist nicht vergleichbar. Die vorherige Regierung war eine verwaltende in einer außergewöhnlichen Situation. Jetzt haben wir eine "normale" Regierung mit einem vollen Programm, das es abzuarbeiten gilt. Wir kommen also vom Verwalten zum Gestalten. Da gibt es noch höhere Ansprüche an einen selbst – aber natürlich auch höhere Ansprüche von außen.

STANDARD: Mit den EU-Agenden wird dem Außenministerium ein wesentlicher Einflussbereich entzogen. Ist diese Trennung sinnvoll?

Schallenberg: Ja, und zwar durch die Entwicklungen auf der europäischen Ebene. Es ist nun einmal der Europäische Rat das wichtigste Gremium in der EU. Ich sage auch: Es sind letztlich österreichische Diplomatinnen und Diplomaten, die auch unsere EU-Politik vertreten. Ich bin mit EU-Ministerin Karoline Edtstadler engstens abgestimmt, so können wir Außenpolitik aus einem Guss machen.

STANDARD: Sie haben das österreichische Nein zum UN-Migrationspakt bekräftigt. Unter Türkis-Blau hat man immer angenommen, dass das Nein der Beteiligung der FPÖ geschuldet ist.

Schallenberg: Das war eine Position der vergangenen Bundesregierung – und ich sehe keinen Grund, warum wir jetzt davon abgehen sollten.

STANDARD: Die Schweiz ist mit einer ähnlichen Argumentation wie der Österreichs gegen den Migrationspakt – es sei nur Symbolpolitik – gegen den von Österreich mitinitiierten Atomwaffenverbotsvertrag. Ein Problem?

Schallenberg: Es gab in der Vergangenheit mit der Schweiz eine gute Zusammenarbeit im Abrüstungsbereich und in anderen multilateralen Bereichen. Ich selbst teile die Einschätzung nicht, dass es nur Symbolpolitik ist. Dasselbe hat man zum Beispiel zum internationalen Vertrag zum Verbot von Streumunition gesagt. Was ist heute Realität? Die Mehrheit der Staaten haben sich angeschlossen. Dass das das Bohren harter Bretter ist, ist klar.

Rolle Europas beim Iran-USA-Konflikt

STANDARD: Die EU-Außenminister gaben dem Hohen Repräsentanten Josep Borrell das Mandat, einen Dialog zwischen dem Iran und den USA in Gang zu setzen. Der Streitschlichtungsmechanismus wurde ausgelöst. Die Europäer kritisieren den Iran, halten sich mit Kritik an den USA aber zurück. Ist man so als Vermittler glaubwürdig?

Schallenberg: Europa mahnt auch immer wieder die USA. Wir Europäer müssen Vermittler sein. Das ist im Zusammenhang mit dem iranischen Atomdeal die einzige Möglichkeit, weiterzukommen. In diesem Licht sehe ich auch den Streitschlichtungsmechanismus. Solange kein Dialog existiert, brauchen wir natürlich nicht von einem neuen Abkommen zu träumen. Weshalb wir auch darauf drängen, dass das jetzige nicht über Bord geworfen wird.

STANDARD: Im aktuellen Regierungsabkommen ist betont deutlich die Rede davon, dass der Staat Israel neben einem unabhängigen Staat Palästina leben können soll. Soll Palästina vor einer Zwei-Staaten-Lösung anerkannt werden?

Schallenberg: Wenn man für eine Zwei-Staaten-Lösung ist, ist es auch logisch, dass man über kurz oder lang den Staat Palästina voll anerkennt. Aber die Anerkennung wird erst erfolgen, wenn es eine Einigung zwischen Israelis und Palästinensern am Verhandlungstisch gibt. Anerkennt man vorher, wäre das ein Schuss ins Leere.

Gnadenfrist für Abdullah-Zentrum

STANDARD: Zurück nach Österreich: Das Parlament hat die Schließung des von Saudi-Arabien finanzierten Abdullah-Zentrums verlangt. Nun steht im Regierungsprogramm eine einjährige Gnadenfrist. Sie wollen das Ansehen des Amtssitzortes Wien aber nicht beschädigt wissen. Heißt das, das Zentrum bleibt?

Schallenberg: Wir sind im intensiven Kontakt mit allen Partnerstaaten. Das Regierungsprogramm ist hier sehr klar. Entweder wir schaffen in den nächsten zwölf Monaten eine bessere Form – oder Österreich behält sich vor, sich aus dem Zentrum zurückzuziehen. Dann würde sich aller Voraussicht nach die Frage einer Relocation des Zentrums stellen.

STANDARD: Nach dem Hackerangriff auf das Außenministerium Anfang des Jahres wurde Russland als Drahtzieher vermutet. Gibt es schon neue Erkenntnisse?

Schallenberg: Der Brand ist noch nicht gelöscht, aber wir arbeiten gemeinsam mit anderen Ministerien mit Hochdruck daran und haben auch externe Experten zugezogen. Woher der Angriff kommt, dazu gibt es noch keine belastbaren Informationen. (Manuela Honsig-Erlenburg, 17.1.2020)