Auch dieser junge Wolf namens Flea wurde – allerdings erfolglos – auf Apportierfähigkeit getestet.
Foto: Christina Hansen Wheat

Das Verhalten ist so gut wie jedem Hundebesitzer vom eigenen vierbeinigen Gefährten vertraut: Wirft man ein Stöckchen oder einen anderen apportierbaren Gegenstand, jagen die Hunde dem Objekt nach und bringen es zurück, ohne dafür Belohnung zu verlangen. Dieses Verhalten muss nicht extra trainiert werden: Es ist den Hunden angeboren. Voraussetzung dafür ist, so dachte man zumindest bis jetzt, die Domestizierung durch den Menschen, die irgendwann vor über 15.000 Jahren begann und den Wolf zum Hund machte.

Zahlreiche Studien der vergangenen Jahre – unter anderem auch von Forscherinnen und Forschern des Wolfsforschungszentrums (WSC) in Ernstbrunn in Niederösterreich – haben freilich einige der bisherigen Annahmen über Wölfe über den Haufen geworfen. Insgesamt zeigte sich, dass die Unterschiede zwischen dem Wolf und dem domestizierten Haustier kleiner sind, als die Forschung lange Zeit vermutet hat.

Verschwindende Differenz

Auch bei der Interaktion mit dem Menschen haben gerade die Studien aus Ernstbrunn gezeigt, dass Wölfe bestimmte menschliche Signale des Menschen erstaunlich gut verstehen und die Unterschiede zu den Hunden verschwimmen, obwohl diese seit Jahrtausenden mit dem Menschen zusammenleben. Eine neue Studie der jungen Verhaltensbiologin Christina Hansen Wheat (Uni Stockholm) liefert nun sogar Hinweise darauf, dass selbst das Apportieren kein Alleinstellungsmerkmal von Hunden sein dürfte.

Hansen forscht seit einiger Zeit über das Sozialverhalten von Wölfen, konkret: an in Wildgehegen gehaltenen Tieren aus ganz Europa, die bald nach der Geburt nach Schweden geholt werden. Dort leben sie dann unter wissenschaftlicher Beobachtung in einem Waldgehege und werden im Rudel groß. Ähnlich wie auch in Ernstbrunn werden die Wölfe zu Beginn an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt, sind also nicht ganz wild.

Test mit Tennisbällen

Im Alter von acht Wochen unterzog Hansen die Jungwölfe dann einem Test, wie er auch für junge Hunde üblich ist, um deren Sozialverträglichkeit einzuschätzen. Dabei wurden die Tiere mit einem fremden Pfleger in einem Raum allein gelassen, und der Pfleger rollt nach ein paar Minuten einen Tennisball in den Raum.

Hansen ging davon aus, dass die Jungwölfe den Test nicht bestehen würden – und wurde zunächst in ihrer Annahme auch bestätigt. Doch dann kam es zur Überraschung: Die Jungtiere des dritten Wurfs (Lemmy, Elvis und Sting) liefen dem Ball nach und brachten ihn mehrmals wieder zurück, wie die Forscherin mit ihrem Kollegen Hans Temrin im Fachblatt "iScience" berichtet.

Sting bei einem seiner erfolgreichen Apportierversuche.
Discover Magazine

Das (sehr kleine) Experiment würde mithin zeigen, dass auch Wölfe soziale und kommunikative Signale von Menschen erkennen und deuten können.

Harsche Kollegenkritik

Kurt Kotrschal, einer der Mitbegründer des WSC Ernstbrunn, kann der schwedischen Studie freilich nur wenig abgewinnen: Dass drei von 13 Wölfchen den Ball zurückbrachten, sei erstens nicht ausreichend, um derart weitreichende theoretische Schlüsse zu ziehen, so der Verhaltensbiologe:"Das ist nicht seriös."

Der putzige Held des Experiments in Großaufnahme: Sting.

Ähnlich unseriös sei es zweitens, dass die Forscherin die Arbeiten der letzten zehn Jahre aus dem WSC ignorierte: Aus diesen Untersuchungen gehe nämlich längst hervor, dass sozialisierte Wölfe Menschen gegenüber genauso aufmerksam und kooperativ sind wie gleichartig aufgezogene und gehaltene Hunde.

Drittens schließlich wisse man aus neueren Studien, dass europäische Wölfe, mit denen Hansen gearbeitet hat, nachweisbar mehr "Hundegene" in sich tragen, als das bei den nordamerikanischen Wölfen der Fall sei. (tasch, 17.1.2020)