Elektroautos werden immer öfter zu Rettungsfahrzeugen für das Weltklima hochstilisiert. Sie sind, so die gängige Erzählung, emissionsfrei im Betrieb und außerdem leise. So leise, dass der Gesetzgeber sich genötigt sah einzuschreiten. Der geräuscharme Elektromotor erhöht die Gefahr, dass das Auto von Fußgängern oder Radfahrern gar nicht wahrgenommen wird.

Seit 1. Juli 2019 müssen deshalb neu auf den Markt kommende E-Autos gemäß EU-Verordnung akustische Warnsignale aussenden. Der künstliche Lärm wird beim Anfahren aktiviert und schaltet sich bei 20 km/h automatisch ab. Dann ist das Abrollgeräusch der Reifen auch von Diesel und Benzinern meist lauter als der Motor selbst.

Akustische Verschmutzung

Während mit dem E-Auto gegen die akustische Umweltverschmutzung ein Kraut gewachsen zu sein scheint – von tempobolzenden Reifenschindern abgesehen –, ist dies in Sachen CO2-Ausstoß nicht uneingeschränkt der Fall. Die Klimabewegung Fridays for Future hat am Freitag am Eingang der Vienna Autoshow darauf hingewiesen.

Die einen setzen auf Elektroautos als Teil einer Lösung der dräuenden Klimakatastrophe, die anderen sind skeptisch, ob das hilft: Anhänger von Fridays for Future und System Change, not Climate Change am Eingang der Vienna Autoshow.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Unbestritten ist, dass der Straßenverkehr in seiner derzeitigen Verfasstheit das Erreichen der Klimaziele unmöglich macht. Soll die Erderhitzung bei maximal zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt bleiben, müssen die Verbrenner eher früher als später in die Garage. Allein in der EU entfallen knapp 30 Prozent der klimaschädlichen CO2-Emissionen auf den Verkehr, gut 70 Prozent davon allein auf den Straßenverkehr. Das geht aus Berechnungen der europäischen Umweltagentur hervor. Kein Wunder, dass das E-Auto als Problemlöser herbeigesehnt wird.

Kein Auspuff

Richtig ist, dass Elektroautos anders als Diesel oder Benziner ohne Auspuff auskommen. Unter der Motorhaube wird nichts verbrannt, es entstehen somit auch keine Abgase. Die große Frage aber ist: Wie wird der Saft produziert, der das E-Auto antreibt? Hier zeigt sich eine erste dunkle Seite bei elektrisch betriebenen Fahrzeugen.

Ein Elektroauto ist nämlich immer nur so sauber oder schmutzig wie der Strom, mit dem die Batterie geladen wird. In Deutschland mit einem immer noch hohen Anteil von Kohle im Strommix ist die Umweltbilanz des Elektroautos deutlich schlechter als beispielsweise in Österreich. Hierzulande stammen gut 70 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen wie Wasserkraft, Wind-, Solar- oder Biomasseanlagen. In Indien oder China, die wegen der dramatisch schlechten Luftqualität die Elektromobilität im Straßenverkehr forcieren, ist die Umweltbilanz der Stromer um ein Vielfaches schlechter. Kohle und Öl bilden dort noch immer das Rückgrat der Stromproduktion.

Oft vergessener Herstellungsprozess

Nicht nur im Betrieb entscheidet der Strommix, wie groß der CO2-Fußabdruck des Elektroautos ist. Auch bei der Produktion der Elektrovehikel kommt es darauf an, woher der Strom kommt. Der Herstellungsprozess, auf den oft vergessen wird, ist äußerst energieintensiv.

Aber gilt hier nicht: "Auto ist Auto" – egal ob Diesel oder Stromer?, ist man versucht zu fragen. Eben nicht ganz. Für Elektromotor und Akku werden viele spezielle Rohstoffe benötigt, darunter seltene Erden. Die lassen sich nur mit viel Aufwand gewinnen und verarbeiten, sie schädigen die Umwelt mitunter massiv. Kobalt etwa stand auch wegen Kinderarbeit immer wieder in der Kritik.

"Kobalt wird zunehmend wegdefiniert, der Anteil dieses Metalls in Lithium-Ionen-Batterien ist deutlich gesunken", sagt der Vorstand des Instituts für Energiesysteme und elektrische Antriebe an der Technischen Universität Wien, Manfred Schrödl. "Ich bin auch überzeugt, dass Technologien entwickelt werden, die das Lithium irgendwann ersetzen."

Fortschritt muss her

Fortschritte bei der Batterieherstellung und Verbesserungen im Strommix sind jedenfalls unumgänglich, soll sich der Widerspruch zwischen Schein und Sein beim Elektroauto auflösen. Nach Berechnungen der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. in München verursacht ein Elektroauto, das mit dem momentanen deutschen Strommix geladen wird, ab rund 50.000 zurückgelegten Kilometern weniger Emissionen als ein gleichwertiger Benziner. Für den EU-Strommix verkürzt sich die Amortisationsdauer auf knapp 2,8 Jahre, für Solarstrom liegt sie bei 1,6 Jahren. (Günther Strobl, 18.1.2020)