Die fetten Jahre im Sporthandel sind vorbei. Fünf Jahre lang profitierte die Branche in Österreich stark vom Versagen des Diskonters Sports Direct. Der britische Konzern schaffte es nach der Übernahme der Eybl-Standorte nicht, den Konsumenten seine Billigmarken schmackhaft zu machen. Platzhirsche wie Intersport fanden sich auf dem überraschend frei gewordenen Spielfeld ebenso rasch ein, wie spezialisierte Einzelkämpfer. Auch neue internationale Handelsketten versuchten ihr Glück. Zumal die Ausgaben pro Kopf für Sportartikel hierzulande, auch dank der vielen Touristen, deutlich höher sind als in anderen Ländern Europas.

Doch nun sind die Felle weitgehend verteilt. Bis auf rare Ausnahmen hat die Sports-Direct-Gruppe, die weiter die Bremse anzieht, für Konkurrenten kaum mehr attraktive Standorte zu bieten. Zugleich schuf der stationäre Handel in Österreich eine so hohe Dichte an Verkaufsflächen wie nie zuvor.

"Die Party ist vorbei. Es wird wieder enger", zieht Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands, Bilanz. Finanziell ertragreiche Trends, wie der Boom an E-Bikes oder die Lust an Skitouren, die der Branche eine Sonderkonjunktur angedeihen ließen, drohen mittelfristig zu verebben.

Im Vorjahr wuchs der Umsatz des Sporthandels in Österreich von 2,6 auf 2,7 Milliarden Euro. Heuer kommt neuer Schnee für viele Händler zu spät.
Foto: Ferienregion TirolWest/Daniel Za

Online einkaufen im Ausland

Vor allem aber schneidet sich der Onlinehandel immer größere Anteile des Kuchens ab. Amazon und Zalando sind in Deutschland bereits die zweit- und drittstärksten Anbieter für Sportartikel. Beide jagen stationären Händlern gerade bei Schuhen und Fitnessbekleidung rasant Marktanteile ab.

In Österreich bremste das enge Netz aus Fachhändlern den Vormarsch der Internetriesen bisher noch ein. Experten gehen jedoch davon aus, dass sich Amazon und Co. über kurz oder lang auch hier ein Viertel bis ein Drittel des Geschäfts holen werden. Der Marktforscher Regioplan machte den Anteil, den stationäre Unternehmen an Rivalen aus dem Web verlieren, vor zwei Jahren noch bei 18 Prozent fest. Es ist Geld, das primär ins Ausland fließt.

"Wir werden uns in den kommenden Jahren alle wärmer anziehen müssen", sagt Holger Schwarting. Der Chef der Sport 2000 vereint in der Genossenschaft gut 250 selbstständige Sportfachhändler.

Bereinigung der Branche

Er geht von einer neuen Bereinigung in der Branche aus: Etliche Anbieter würden nicht überleben. Zum einen ließen sich große Verkaufsflächen schwerer gegen Konkurrenz im Web verteidigen. Zum anderen gerieten Einzelkämpfer, die sich etwa mit Fahrrädern oder Laufschuhen verdingen, mitunter auch in einer kleinen Garage, unter Druck. Schwarting glaubt, dass sich die Zahl der selbstständigen Händler innerhalb der kommenden zehn Jahre auf 500 bis 600 nahezu halbieren wird.

Nicht leichter wird es auch für alteingesessene Anbieter wie Hervis. Hatte die Spar-Tochter mit ihren derzeit 101 Filialen in Österreich über viele Jahre nur wenig Gegenwind bei preisaggressiven Aktionen, fahren ihr an etlichen Standorten nun neue internationale Ketten wie XXL und Decathlon um die Ohren. 2018 sank ihr Umsatz in Österreich laut Bilanz von netto 269 auf 259 Millionen Euro. Das Ebit halbierte sich aufgrund hoher Investitionen in die IT auf rund sechs Millionen Euro. Eine Kapitalerhöhung von 13 Millionen Euro sorgte für mehr Eigenkapital. Spar berief die Hervis-Geschäftsführung im Herbst ab und holte einen Sanierungsexperten.

Spar selbst betont auf Anfrage, dass Hervis bis auf 2018 stets Umsatzzuwächse und Gewinne erzielt habe, auch 2019 – und verweist im In- und Ausland auf "hervorragende Standorte".

Spar attestiert sich Mut

Zur Baustelle soll vor allem die Expansion nach Bayern geworden sein. Spar spricht jedoch davon, "unternehmerischen Mut" bewiesen zu haben. Denn wie viele österreichische Händler wagten sich schon nach Deutschland? Die neue Geschäftsführung werde das Unternehmen neu ausrichten, das Potenzial in Bayern sei groß. Dass Spar Hervis in seinen eigenen Einkaufszentren über geringe Mieten querfinanziert, wie Marktkenner erzählen, weist Spar zurück: In den meisten Centern habe Hervis Bestandsverträge gehabt, bevor Spar diese Häuser zu 1A-Centern entwickelt habe. "Wenn jemand das Entwicklungsrisiko eines Standortes mitträgt, sind günstige Mieten gerechtfertigt."

Was tut sich unter den Newcomern im Sporthandel? Der norwegische Konzern XXL zählt in Österreich mittlerweile sechs Standorte. Die französische Decathlon muss sich nach wie vor mit einem Markt begnügen. Zehn Millionen Euro setze man hier um, ein Viertel davon online, sagt Gabor Posfai, Chef von Decathlon Österreich. Im Vorjahr sei der Konzern in zwölf neue Länder eingestiegen – Österreich habe die beste Entwicklung hingelegt. Bei der Expansion muss Posfai dennoch Abstriche machen. Drei bis fünf neue Filialen jährlich hielt er ursprünglich für realistisch. Heuer ist von maximal zwei zusätzlichen Standorten die Rede, einer davon sei bisher fix. "Nur eine Filiale zu betreiben, erleichtert es leider nicht gerade, bekannter zu werden."

Sechs neue Standorte hat Intersport 2019 eröffnet. Der Umsatz in Österreich stieg um vier Prozent auf 600 Millionen Euro. Für einen Abgesang auf stationäre Händler hält es Unternehmenschef Thorsten Schmitz für zu früh. Er ortet Gegenbewegungen und sieht Onlineanbieter über reale Geschäfte den Weg zum Kunden suchen.

Berge als Zugpferde

Konsumenten sind sprunghafter, fordernder und informierter geworden, sagt Christoph Bründl, der im Westen mehr als zwei Dutzend Geschäfte führt. Doch in den Bergen könne er mit "Servicebesessenheit" gut reüssieren. Sport im eigenen Land werde bei all den Klimadebatten, die Fernreisen verunglimpfen, als Gewinner hervorgehen, ist sich Bründl sicher. Und der Trend, raus in die Natur zu gehen, halte sicherlich an.

Ein Seufzer der Erleichterung dürfte angesichts des angekündigte Neuschnees durch die Branche gehen. "Sobald Wien auch nur angezuckert ist, springt das Geschäft an", sagt Schwarting. Wobei der Schnee für viele Händler zu spät kommt: Ein groß angelegter Abverkauf zeichnet sich ab. (Verena Kainrath, 18.1.2020)