Im Koalitionspakt ist der Spitzensteuersatz kein Thema. Dass eine Senkung mit Grünen-Chef Werner Kogler nicht zu machen ist, davon ist allerdings auszugehen.

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Wien – Der scheidende Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, hält nichts von der geplanten Verlängerung des Spitzensteuersatzes für Millionenverdiener von 55 Prozent. "Es ist international ein bisschen eine Blamage, wir machen uns damit lächerlich", sagte der Chef des gleichnamigen Elektronikkonzerns am Sonntag in der "ORF-Pressestunde". Die Maßnahme treffe relativ wenige, "deshalb hat es materiell nicht eine wesentliche Bedeutung".

Tags zuvor hatte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) angekündigt, dass der Spitzensteuersatz für Einkommensmillionäre verlängert wird. Im Regierungsprogramm findet sich diese Maßnahme zwar nicht, er gehe aber davon aus, dass die 2016 befristet eingeführte Erhöhung verlängert wird, kündigte Blümel in der ORF-Sendereihe "Im Journal zu Gast" an. Kanzler Sebastian Kurz wiederholte Selbiges am Sonntag auf Twitter.

Das veranlasste Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ), zu einer Klarstellung: "Ich verstehe schon, dass die holprig gestartete schwarz-grüne Regierung Erfolgsmeldungen braucht – aber sie sollte bei der Wahrheit bleiben." Die unbefristete Erhaltung des Spitzensteuersatzes sei kein Entgegenkommen der ÖVP, sondern bereits im Mai 2019 im Ministerrat beschlossen worden – über das Jahr 2020 hinaus und unbefristet.

Zick-Zack-Kurs

Verwunderlich sei der Kurs dennoch, echauffierte sich Fuchs via Aussendung: In der Nationalratssitzung am 10. Jänner 2020 lehnten ÖVP und Grüne den SPÖ-Antrag auf Beibehaltung des Spitzensteuersatzes ab, während die FPÖ zustimmte. Seitens der SPÖ begrüßte Finanzsprecher Kai-Jan Krainer den neuerlichen Kurswechsel des Finanzministers.

Notwendig sei allerdings "eine wirkliche Steuerstrukturreform", mahnte IV-Präsident Kapsch. Die letzte habe es Mitte der 90er-Jahre gegeben, "seither haben wir nur mehr an den Tarifen gebastelt". Auch die Lohnnebenkosten gehörten gesenkt. Am Regierungsprogramm von ÖVP und Grüne lobte der IV-Präsident "viele Punkte". Die nicht nur von der Industrie geforderte Staats- und Föderalismusreform sei darin aber wieder nicht enthalten.

Eine Verschärfung kann sich der Industrie-Präsident bei den Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose vorstellen. Dass sich Köche weigerten, von Wien nach Tirol zu gehen, sei nicht einzusehen. Allerdings wurden diese Bestimmungen längst verschärft. Köchen, die Jobangebote verweigern, wird das Arbeitslosengeld gekürzt – sofern sie keine Familie, also eigene Kinder haben.

Pressestunde mit Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung: Wohnortwechsel für den Job: Wie viel Flexibilität ist nötig?
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Wettbewerbsfähigkeit gestiegen

Der vielbeschworenen Wettbewerbsposition tat der Spitzensteuersatz übrigens keinen Abbruch: Aufgrund höherer Direktinvestitionen aus dem Ausland und international verstärkter Aktivitäten heimischer Firmen ist die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs angestiegen, stellt das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria fest. Nach Bildung der neuen Regierung gebe es trotz konjunktureller Abkühlung Hoffnung auf stabilere Zeiten, so das industrienahe Institut.

Angesichts des "kraftvollen Starts" unseres Landes in diesem Bereich ins neue Jahr hat EcoAustria den von ihm errechneten Wettbewerbsfähigkeitsindex (ECI) für das erste Quartal 2020 um 2,7 Punkte auf 100,7 Zähler nach oben gesetzt. Das sei der höchste Wert seit dem Jahr 2016, erklärt das Institut.

Abgaben runter, Klimaziele rauf

"Nun geht es darum, die Rahmenbedingungen für nachhaltig mehr Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern", betont EcoAustria-Chef Tobias Thomas: "Hierzu gehört eine Senkung der Abgabenbelastung und die Auswahl geeigneter Instrumente, mit denen die Klimaziele treffsicher und kostengünstig erreicht werden."

Mit dem aktuellen Anstieg des ECI habe sich die Wettbewerbsfähigkeit hierzulande seit 2016 besser entwickelt als der Durchschnitt der EU. Rückläufig ist sie unter anderem in Ländern, die besonders stark mit Großbritannien verflochten sind. Seit dem Brexit-Referendum ließ etwa der belgische ECI um satte 15 Punkte nach. (APA, ung, 19.1.2019)