Hochrangig besetzter Libyen-Gipfel in Berlin am Sonntag.

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Es ist bei weitem nicht der erste Versuch, die beiden libyschen Kontrahenten – den in Tripolis verschanzten, international anerkannten Premier Fayez al-Serraj und General Khalifa Haftar, der mit seinen Truppen vor der libyschen Hauptstadt steht – zu Gesprächen zusammenzubringen. Der Berliner Gipfel ist aber insofern anders als frühere, als im Vorfeld nicht um den heißen Brei herumgeredet, sondern das große Problem beim Namen genannt wurde: die externen Spieler in diesem Konflikt, die diesen in den vergangenen Jahren immer nur noch weiter angeheizt haben.

Das Ziel ist, nicht nur Serraj und Haftar zu einem Waffenstillstand zu bringen, sondern den internationalen Teilnehmern eine Art Offenbarungseid abzuringen: Wir unterstützen eine politische Lösung. Wer das ernst meint, hält sich an das – tausendmal gebrochene – Uno-Waffenembargo. Erst dann machen die Punkte Sinn, auf die sich Haftar und Serraj weiter verpflichten sollen: eine bilaterale Überwachung des Waffenstillstands und die Ernennung von Delegationen, die unter Uno-Ägide in Kürze politische und wirtschaftliche Verhandlungen in Genf aufnehmen sollen.

Keine nachhaltige Wende

Die Wahrscheinlichkeit, dass alle Teilnehmer Berlin mit Bezeugungen ihrer guten Absicht verlassen, war schon vor Beginn groß – die Chancen, dass der Gipfel eine nachhaltige Wende bringt, sind weniger gut. Russland und die Türkei, wie in Syrien auch in Libyen auf unterschiedlichen Seiten, haben wohl tatsächlich Interesse daran, nicht zu tief in den libyschen Sumpf zu schlittern – auch wenn Libyen für beide eine Chance darstellt, ihre Macht nun auch in Nordafrika zu projizieren und so nebenbei den USA deren schwindende Rolle und den Europäern deren Versagen drastisch vor Augen zu führen.

Aber da gibt es noch andere Unterstützer, die in ihre jeweils eigenen Gemengelagen verstrickt sind. Auf Haftars Seite sind das vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten. Und nicht umsonst hat Haftar vor der Konferenz noch Athen besucht: Dort wird wie in Kairo das türkische militärische Engagement für Serraj in direktem Zusammenhang mit Ankaras Wunsch gesehen, im Mittelmeer Fakten zu schaffen, vor allem was die Gasgewinnung anbelangt.

Türkischer Einfluss

Die Vorstellung, dass die Türkei ihren Einfluss in Tripolis behält – wie Moskau wäre auch Ankara an der Überwachung des Waffenstillstands beteiligt –, ist für Ägypten sehr unangenehm. Dazu kommt noch der ideologische Kontext, in dem sowohl Kairo als auch Abu Dhabi die türkische Führung sehen: als verhasste Muslimbrüder. Und selbst wenn die USA und manche Europäer keine geheimen Sympathien für den selbsternannten Islamistenfresser Haftar hätten: Auf Ägypten und die Emirate wurde bisher kein Druck ausgeübt, sich aus Libyen herauszuhalten.

Dass sich mit der Berliner Konferenz alles schlagartig ändert, ist nicht zu erwarten. Quasi zur Einstimmung auf diese blockierten am Samstag Haftar zuzurechnende Kräfte ölexportierende Häfen, Ölfelder und Pipelines in Ost- und Südlibyen: ein guter Hinweis darauf, dass es auch um ökonomische Macht geht. Dass mit der Aussicht auf Verhandlungen von den Gruppen am Boden noch gerne maximale Stärke demonstriert wird, ist an sich nichts Neues. Aber es ist nicht vergessen, dass Haftars Offensive auf Tripolis vergangenen April just vor einer geplanten nationalen Dialogkonferenz begann. Noch vermittelt er nicht den Eindruck, die Macht teilen zu wollen. Es wird von seinen Unterstützern abhängen. Und auch die Türkei sollte sich zurückziehen. (19.1.2020)