Die größte Entlastung gibt es, wenn das Einkommen so hoch ist, dass der Familienbonus voll zum Tragen kommt.

APA/ZB/Ralf Hirschberger

Die ÖVP hat eine ihrer Kernforderungen im türkis-grünen Regierungsprogramm untergebracht: Entlastung. Vor allem die recht umfassende Senkung der unteren drei Tarifstufen in den kommenden Jahren dürfte die Steuerlast ordentlich drücken. Dagegen sind die Absichten zum Ausgleich der kalten Progression nur vage angedeutet. Sie entsteht, wenn inflationsbedingte Gehaltsanpassungen zu einer überproportionalen steuerlichen Mehrbelastung führen.

Abschaffung gefordert

Das hat schon für einige Diskussionen gesorgt, Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger beispielsweise pocht auf die Abschaffung der kalten Progression. Von Entlastung könne keine Rede sein, da man vorher den Österreichern das Geld aus der Tasche gezogen habe, sagte sie vor gut einer Woche sinngemäß in der ORF-Sendung Im Zentrum. "Bledsinn", konterte ÖVP-Klubchef August Wöginger. Die geplante Entlastung sei deutlich größer als die Wirkung der kalten Progression. Wer hat recht? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Untersuchung, in der die kalte Progression von 2017 bis 2021 mit den parallel dazu erfolgten und geplanten Entlastungsschritten verglichen wird (siehe Grafik). Es wird auch berechnet, welche Haushalte wie stark profitieren oder Federn lassen. Der Zeitpunkt 2017 wurde gewählt, weil 2016 die letzte große Entlastung stattfand und ab dem Folgejahr die kalte Progression wieder in die Gänge kam.

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Das Hauptergebnis der Berechnungen, die von der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) und der Forschungsgesellschaft WPZ angestellt wurden: Die bereits unter Türkis-Blau gesetzten Maßnahmen und die nun bis 2021 angekündigten Entlastungen liegen um 1,76 Milliarden Euro über dem Volumen der kalten Progression, die sich seither ansammelte.

Allerdings haben nicht alle Österreicher mehr in der Geldbörse. Die größte Entlastung gibt es, wenn das Einkommen so hoch ist, dass der Familienbonus zur Gänze wirkt.

Ein Beispiel: Alleinverdiener mit zwei Kindern und einem monatlichen Brutto von 4000 Euro werden von 2017 bis 2021 um insgesamt 7600 Euro entlastet. Ist die Person mit gleichem Einkommen kinderlos, übersteigt die Belastung der kalten Progression die Entlastung um 1700 Euro.

Auch Geringverdiener profitieren

Doch haben auch Geringverdiener etwas von den Maßnahmen? Ja, sagen GAW und WPZ. Alleinverdiener mit zwei Kindern und 1500 Euro brutto im Monat werden in dem Zeitraum um 2178 Euro bessergestellt. Bei dieser Einkommenshöhe kommt es auch ohne Kinder zu einer Entlastung, weil Sozialbeiträge von Geringverdienern 2018 gesenkt wurden, heuer ein Sozialversicherungsbonus in Kraft trat.

Neben dem Familienbonus und den Sozialbeiträgen wurde in der Kalkulation die Senkung der untersten Tarifstufe von 25 auf 20 Prozent berücksichtigt, die 2021 kommen soll. Die weitere Senkung der nächsten beiden Steuerstufen (35 und 42 Prozent) ist darin noch nicht enthalten, da sie erst später kommen dürfte.

Zudem flossen in die Berechnungen auch die Verbesserungen im Pensionssystem ein. Die kalte Progression summiert sich in der genannten Periode auf 7,7 Milliarden Euro, die Maßnahmen zur Entlastung werden in der Untersuchung mit 9,46 Milliarden Euro beziffert.(20.1.2020)