Susanne Wiesinger bei ihrem Amtsantritt als Ombudsfrau

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Susanne Wiesinger legt ihre Rolle als Ombudsfrau eigenwillig an. Noch ehe ihre Tätigkeit im Bildungsministerium als Ansprechpartnerin für "Wertefragen und Kulturkonflikte" beendet war, hatte die Lehrerin eine Abrechnung mit ihrem Arbeitgeber vorgelegt. Machtkampf im Ministerium. Wie Parteipolitik unsere Schulen zerstört lautet der Titel des Buches, in dem Wiesinger mit dem Apparat des Bildungsressorts hart ins Gericht geht.

Vice versa gilt das Gleiche: Minister Heinz Faßmann hat die Pädagogin prompt als Ombudsfrau abgesetzt. Ein Opfer Kurz’scher Message-Control, wie die Opposition mutmaßt? Vor reflexartigen Erklärungen sei gewarnt: Dass türkise Handlanger Wiesinger, wie diese behauptet, an die Leine zu legen versucht hätten, ist möglich, von außen aber erst einmal nicht verifizierbar – da steht Aussage gegen Aussage. Die streitbare Lehrerin hat ja nur vier Monate unter dem von der Kanzlerpartei nominierten Faßmann gearbeitet, aber sieben unter der parteifreien Iris Rauskala. Entgegen Wiesingers Darstellung sagt die Übergangsministerin, dass sich die Ombudsfrau zu ihrer Zeit nie über die nun angeprangerten Zustände beklagt habe. Rauskala steht der ÖVP nahe, Parteisoldatin aber ist sie keine.

Insiderische Aufdeckerstory

Es wäre etwas anderes gewesen, hätte Wiesinger ihr Amt mit dem Aufschrei hingeschmissen, dass sie gegen Mauern renne – und dann das Buch mit ihren Erfahrungen veröffentlicht. So aber verkauft sie die insiderische Aufdeckerstory der Öffentlichkeit, kurz bevor ihr offizieller Endbericht ans Ministerium vorliegen sollte. Da ist schon nachvollziehbar, dass sich ein Minister hintergangen fühlt.

Doch die Stilfrage darf nicht die Botschaft überdecken. Ihr erstes Buch hat Wiesinger als glaubwürdige Zeugin für die von islamistischer Gesinnung befeuerten Zustände an einer Wiener Brennpunktschule ausgewiesen – ebenso ernst sollte nun ihre Anklage gegen ideologische Scheuklappen in der Bildungspolitik genommen werden. Es ist ja nicht so, dass sie da etwas völlig Abwegiges behauptet, was nur dem Hirn von Verschwörungstheoretikern entspringen könne: Bei den Lehrerbesetzungen nach Parteibuch angefangen, hat politische Verbohrtheit im Schulwesen eine lange, unheilvolle Geschichte.

Das neue Buch sollte eine Debatte darüber anstoßen, wie weit die alten Muster immer noch gelten. Will Faßmann der ungebundene Minister sein, als der er sich stilisiert, darf er Wiesinger nicht einfach als Irrläuferin abtun. (Gerald John, 20.1.2020)