Wenn man denkt es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein – je nachdem wie man es sieht – mehr oder weniger aufschlussreicher Gastkommentar daher. Am 18. Jänner schrieb SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner einen Kommentar im STANDARD mit dem spannenden Titel "SPÖ in Opposition: Hart, aber fair". Am Ende des engagierten Beitrages hat man das Gefühl so schlau zu sein wie davor. Ein großes emotionales Feuerwerk oder gar aufwühlende und polarisierende Inhalte oder Themen fehlten. Der Stil ist so wie die Parteivorsitzende – gewohnt höflich, sehr konstruktiv und nett. Unabhängig von ihrer positiven Wesensart ist der Inhalt leider sehr emotions- bis ideenarm.

"Die SPÖ muss die Oppositionsrolle annehmen und mit Leben erfüllen", schreibt Rendi-Wagner.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Subliminale oder nichtssagende Botschaft der SPÖ?

Angenommen man reflektiert nach dem Lesen des Artikels ein wenig und stöbert in seinem Unbewussten, bleibt eventuell hängen, dass die SPÖ ihre Oppositionsarbeit als eine Art des sozialen Gewissens Österreichs versteht. Analysiert man die vielen Postings im STANDARD-Forum, so kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass sich zumindest einige Leserinnen und Leser doch etwas mehr Aussagegehalt vom Text der Anführerin der stimmenstärksten Oppositionspartei und einstigen Kanzlerbewegung erwartet hätten.

Vielleicht ist die Botschaft der SPÖ Vorsitzenden so unterschwellig, dass diese die bewusste Wahrnehmungsschwelle des einfachen Geistes des gewillten Lesers nicht gleich überschreitet und nur unbewusst seine Wirkung entfaltet. Ähnlich wie in der "Iss-Popcorn-trink-Cola-Studie", deren Autor James Vicary vorgab, eine Methode zur unbewussten Manipulation entdeckt zu haben. Jene wurde jedoch später als Erfindung eines Werbeunternehmers enttarnt. Unabhängig davon hoffen wir für die SPÖ, dass die Strategie der sehr subliminalen Politik doch irgendwann aufgeht, denn sonst droht die Partei noch wesentlich weiter unter die 20 Prozent Marke bei den Demoskopen zu rutschen.

Partei ohne Eigenschaften

Analog zur Titelfigur in Robert Musils Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" scheint die SPÖ zur Partei ohne Eigenschaften zu werden, indem sie sich zu nichts wirklich bekennen und sich jeder wirklich schwerwiegenden Festlegung entziehen will, um sich neue Optionen und Konstellationen offen zu halten. Eine "Nice to have"- aber keine "Must have"-Politik. Als der Aktionskünstler Joseph Beuys 1967 im Rahmen seiner politischen Aktivitäten seine These der "Sozialen Plastik" formulierte, nämlich "Jeder Mensch ist ein Künstler", meinte er, dass jeder von uns ein sozialer Gestalter der Zukunft ist. Die Theorie geht davon aus, jeder könne durch kreatives Handeln zum Wohl der Gemeinschaft beitragen und dadurch positiv auf die Gesellschaft einwirken.

Die Lebenskunst, die Realität vieler Menschen in Politik und Wirtschaft sozial und kreativ zu gestalten, sollten gerade die Sozialdemokraten vorleben. Die Österreicher emotional zu berühren und nicht lediglich Floskeln zu reproduzieren, schafft die SPÖ immer schwerer. Kunst im Beuys‘schen Sinne ist die Konfrontation mit sich selber. Politik ist die Konfrontation mit sich selbst und den eigenen Werten. Diesem harten Prozess der Selbstfindung, Selbstkritik und Selbstreflexion wird sich die Bewegung stellen müssen, will sie wieder erfolgreich sein. So wie Beuys dem toten Hasen die Bilder erklärte, sollte vielleicht jemand der SPÖ ins Stammbuch schreiben, dass lauwarme Floskeln nicht reichen werden. Die Jahrhundertbewegung muss frei nach Beuys in das Herz der Gesellschaft greifen. (Daniel Witzeling, 24.1.2020)

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